
Fast 50 Minuten dauerte das Gespräch am Freitag im Oval Office des Weißen Hauses, zu dem der ukrainische Präsident eingeladen war. Es begann um 11 Uhr Zonenzeit. Rund 40 Minuten lang verlief es recht harmonisch, teilweise sogar heiter. Doch dann eskalierte die Situation. Das ungewöhnliche ist nicht der Streit an sich, sondern das Beisein der Öffentlichkeit. Hinter verschlossenen Türen kommt derartiges sicherlich schon öfter vor.
Die Amerikaner reagierten nicht so, wie es sich Selenski erhofft hatte. Sie könnten seine Situation nicht nachvollziehen, weil sie sehr weit weg vom Geschehen seien, verdeutlichte er ihnen. Es gäbe einen schönen Ozean dazwischen, weshalb sie die ganzen Probleme nicht spüren würden. Aber eines Tages würden es die Amerikaner auch fühlen, so Selenski. Er unterstellte, Trump habe sich in seiner ersten Amtszeit von 2016 bis 2020 nicht für die Ukraine interessiert, und zählte auch Obama und Biden auf, von denen er offenbar mehr erwartet hatte. Putin habe 2014 mit der Besetzung der Krim begonnen, und niemand sei gekommen, um ihn zu stoppen. Dann stellte Selenski die Diplomatie infrage, von der Vance zuvor als Lösung gesprochen hatte. Das wertete der US-Vizepräsident als Respektlosigkeit und warf Selenski vor, undankbar zu sein. Trump widersprach mit lauter Stimme, als Selenski meinte, die Ukraine sei allein im Kampf gegen Russland. Er verwies auf die umfangreiche Hilfe, die die USA bislang geleistet hätte, und nannte eine hohe Summe.
Der ukrainische Präsident forderte militärische Unterstützung und machte deutlich, dass er einen Waffenstillstand ohne Sicherheitsgarantien nicht akzeptieren werde. Er braucht die Waffen der USA, um die Ukraine als Nation verteidigen zu können. Trump aber will möglichst wenige, am besten keine Waffen liefern. Er arbeitet auf einen schnellen Waffenstillstand hin. Deutlich erkennbar war sein Interesse am Geschäft mit den Bodenschätzen. Es handele sich um Rohstoffe, die in den USA nicht verfügbar seien, erklärte er. Sein ganzes Leben lang mache er Geschäfte, sagte Trump und sprach von einem Problem, das Selenski auskämpfen müsse, wenn er es nicht löse. Die mehrmaligen Versuche des ukrainischen Präsidenten, Trumps Sichtweise auf den russischen Präsidenten zu beeinflussen, schlugen fehl. Denn nach Ansicht Trump wird das Geschäft nicht funktionieren, wenn er schreckliche Dinge über Putin sagt. Er betonte aber, nicht mit Putin verbündet zu sein und zum Wohle der USA und der Welt handeln zu wollen. Zudem meinte er, in Selenski einen großen Hass auf Putin sehen zu können. Dieser erschwere es, ein Geschäft abzuschließen.
Ob dieser Gesprächsverlauf von den Amerikaner so geplant war und Selenski in eine Falle gegangen ist, lässt sich nicht mit absoluter Sicherheit sagen. Durch seine recht einfache Artikulation und die ständigen Wiederholungen wirkt Trump nicht wie ein großer Redner. Doch wer ihn unterschätzt, könnte tatsächlich in eine Falle laufen. Denn er beherrscht mehrere Kommunikationsstrategien und weiß sich gegenüber den Medien sehr wirkungsvoll zu präsentieren. Durchaus könnte er bewusst kommunikative Reize gesetzt haben, um den Gesprächsverlauf zu beeinflussen und Selenski zu bestimmten Äußerungen zu verleiten. Dem ukrainischen Präsidenten merkte man die Unerfahrenheit in Sachen Diplomatie an. Über Trump ist bekannt, dass er Selenski als hinderlich für sein Vorhaben empfindet. US-Vizepräsident Vance hegt sogar noch weniger Sympathien für die Ukraine als Trump. Beide sehen in China den größten Rivalen für die USA und wollen ihre Kräfte entsprechend neu verteilen. Europa dürfte für sie in finanzieller Hinsicht nur noch eine nutzlose Altlast sein, die sie schnell loswerden möchten. Die Ukraine könnte gar als Störfaktor angesehen werden.
Die Zusammenkunft wurde beendet, ohne dass die geplante Unterzeichnung eines Abkommens über seltene Erden stattfand. Trump sagte, er habe das Treffen so lange laufen lassen, damit das amerikanische Volk sehe, was vor sich gehe. Selenski dürfe wiederkommen, wenn er sich dankbar zeige und zu Kompromissen breit sei.
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