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Eine Teekanne der Keramikkünstlerin Nora Arrieta entführt in die Welt surrealistischer Träume. Am blauen Körper der Kanne ist ein Planetenring angesetzt, auf dem eine Ziege durchs Weltall schwebt. Sterne, Zwergplaneten und eine Mondsichel zieren den Ausguss, während der Griff in Form einer Sternschnuppe gestaltet ist. Auf dem Deckel der Kanne hebt eine Rakete gerade zum Flug ab. Lavaartig überziehen die heißen Gasflammen des Raketenstarts den Verschluss.
Mit dieser Arbeit wandelt Nora Arrieta an der Grenze zwischen Handwerk und Skulptur. Die Teekanne wurde aus Steinzeug und Porzellan gefertigt, zwei Werkstoffen, die insbesondere in der Herstellung von Geschirr Anwendung finden und sich dadurch auszeichnen, dass sie nach dem Brand wasserundurchlässig sind. Es ließe sich also durchaus funktional Tee mit der Kanne zubereiten und ausschenken. Gefäße bilden im Werk der Künstlerin oft den Ausgangspunkt. Was als Vase, Schale oder Dose beginnt, wird von ihr technisch und inhaltlich überformt. Immer wieder finden sich dabei Bezüge zur prunkvollen Tischkultur des Barocks mit deren reich verzierten, Geschichten erzählenden Tafelaufsätzen.
Stilistisch entfaltet sich in Nora Arrietas Objekten ein Rausch von Farben und Motiven. Überfluss ist im wahrsten Sinne des Wortes Teil der Symbolik. Glatte und matte sowie zähfließende und glänzende Glasuren werden miteinander kontrastiert. Dabei sind sie nicht mehr nur färbender, schützender Überzug, sondern ein eigenwertiges Element des Kunstwerkes. Erst durch die orangene, fließende Glasur, die über der gelben Grundglasur liegt, entsteht der Eindruck der flammenden Gaswolken am Deckel.
Nora Arrieta ist eine versierte Meisterin ihres Fachs, die ihre Glasuren aus fein gemahlenem Quarzsand, Oxiden, Mineralien und Farbpigmenten selbst herstellt und wie Pinselfarben auf einem Malgrund verwendet. Da Glasuren beim Brand Farbe und Erscheinungsform verändern, sind hierfür entsprechende chemische Kenntnisse und viel Erfahrungen notwendig. Auf ein Studium der Bildhauerei in Berlin und Dresden folgte für Nora Arrieta eine Vertiefung im Fach Künstlerische Keramik an der Alfred University im Bundesstaat New York. Seit 2020 leitet sie die Werkstatt für Keramik am Institut für Künstlerische Keramik und Glas in Höhr-Grenzhausen und gibt dort Brennseminare.
Noch bis 2. März 2025 fliegt Nora Arrietas Ziege durch den Orbit der Ausstellung „Verrückt nach Ton. Moderne Keramik aus sieben Jahrzehnten“. Die Schau präsentiert die Entwicklung der westeuropäischen Keramik seit den 1950er Jahren, die geprägt ist von einer Abkehr von der reinen Gebrauchskeramik und einer Öffnung hin zur freien Kunst.
Am 1. März um 14 Uhr findet gemeinsam mit Nora Arrieta eine Sonderführung statt. Für diese wird um eine Anmeldung über „musak@gera.de“ oder unter der Rufnummer +493658381437 gebeten.
TEXT: ANNE-KATHRIN SEGLER
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