
Anders als erwartet, sprach der US-Vizepräsident Vance bei der Münchner Sicherheitskonferenz weder über eine von Russland oder China ausgehende Bedrohung, noch äußerte er sich zu einem möglichen Friedensplan für die Ukraine. Sein Augenmerk galt im Wesentlichen der EU. Zum Entsetzen vieler Teilnehmer sieht er dort die Bedrohung vorwiegend von innen kommend. Vance warf den europäischen Staaten vor, aus Angst vor dem eigenen Volk die Meinungsfreiheit zu unterdrücken. Damit würde Europa Abstand von seinen eigenen Werten nehmen. Eine Annullierung der Wahl, wie es sie im Dezember 2024 in Rumänien gegeben habe, hält der US-Vizepräsident auch in Deutschland für möglich. Dass Russland Social-Media-Anzeigen kaufe, um Wahlen zu beeinflussen, dürfe man verurteilen. Doch wenn die Demokratie mit ein paar 100’000 Dollar und Werbung aus einem fremden Land zerstört werden könne, sei sie von Anfang an nicht sehr stark gewesen. Vance kritisierte die Ausgrenzung sowohl linker als auch rechter populistischer Parteien und forderte ein Ende der sogenannten Brandmauer. Es müsse zumindest der Dialog mit ihnen geführt werden, meinte der US-Vizepräsident. Denn keine Demokratie, ob amerikanisch, deutsch oder europäisch, werde es überstehen, Millionen von Wählern zu sagen, dass ihre Gedanken und Anliegen, ihre Bestrebungen und Bitten um Hilfe ungültig oder es nicht Wert sind, überhaupt in Betracht gezogen zu werden.
Europa müsse bei seiner Verteidigung künftig eine größere Verantwortung übernehmen, doch es fehle eine positive Vision, die das gemeinsame Sicherheitsabkommen beseele. Vance führte aus, nicht erkennen zu können, wofür genau sich Europa verteidige. Es gebe keine Sicherheit, wenn man Angst vor den Stimmen, den Meinungen und dem Gewissen habe, durch welche das eigene Volk geleitet werde. In diesem Falle könne Amerika nichts für Europa tun. Viele Bürger beschäftige nach Ansicht des US-Vizepräsidenten die Masseneinwanderung. Mehr und mehr stimmten sie für Politiker, die versprechen, der außer Kontrolle geratenen Migration ein Ende zu setzen. Er bezeichnete es als klug, wenn sich die Menschen um ihre Häuser, Träume und ihre Sicherheit kümmern, sowie um die Fähigkeit, für sich und ihre Kinder zu sorgen. Im Gegensatz zu dem, was man ein paar Berge weiter in Davos hören könne, denken die Bürger von sich selbst nicht als gebildete Tiere oder austauschbare Zahnräder in einer globalen Wirtschaft.
Erwartungsgemäß fand die Rede in Teilen der Bevölkerung großen Zuspruch, während die regierenden Politiker sich distanzierten, und die regierungsnahen Leitmedien sie ausnahmslos kritisch kommentierten.
Manche Beobachter vermuten eine taktische Rede. Europa spiele nach Abzug der Intelligenz und Industrie keine Rolle mehr für die USA. Die Vereinigten Staaten wollten kein Geld mehr für die Sicherheit des Kontinents ausgeben und den Social-Media-Accounts bei ihrer Arbeit zuschauen. Im Ergebnis entstünde eine fragmentierte EU, welche wegen zunehmender Unruhen mit sich selbst beschäftigt sei, keine Konkurrenz mehr für die USA darstelle und den übergeordneten Interessen nicht mehr im Wege stehe.
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