Am 22. Februar 1892 wurde die elektrische Straßenbahn in Gera offiziell in Betrieb genommen. Es war die zweite ihrer Art in Deutschland. Das neue Verkehrsmittel verstärkte in der Stadt die allgemein vorhandene Aufbruchstimmung dieser Zeit. Man wähnte sich am Beginn einer neuen Epoche, die von Leichtigkeit, Wohlstand und Frieden geprägt sein würde. Die damaligen Straßenbahnwagen wirkten wie eine Kutsche ohne Pferd und waren genauso außergewöhnlich wie die heutigen selbstfahrenden Busse.
Zunächst gab es zwei Linien. Gekennzeichnet mit A war die Strecke von der Mühlgrabenbrücke am Ende der Küchengartenallee bis Lindenthal. Die Linie B führte von Tinz bis zum Südfriedhof. Die zweieinhalb Kilometer lange Linie C vom Hauptbahnhof bis Pöppeln wurde wegen der Dauer der Bauarbeiten erst am 1. April 1893 eröffnet. Das Gleis verlief mittig durch die damalige Waldstraße, heute Straße des Friedens, und endete stumpf auf Höhe der dortigen Lehmgrube, dem späteren Dahliengarten.
Die Waldstraße selbst war zu diesem Zeitpunkt rund zwanzig Jahre alt. Ihren Namen erhielt sie am 23. September 1874, als der Ausbau zu einer befestigten Straße abgeschlossen war. Bei der vormaligen Pöppelnschen bzw. Rodaer Chaussee handelte es sich um eine Obst- und Pappelallee, die zum Ortsteil und dann weiter in den angrenzenden Stadtwald führte. Um 1820 wurde der Weg erweitert und über den Roten Berg geführt, um den Martinsgrund als Haupthandelsweg abzulösen. Reiche Bürger ließen beidseits der neuen Straße ihre Villen errichten. In Pöppeln entstanden bis in die 1930er Jahre viele neue Häuser und Mietswohnungen.
Die Nutzung der Linie entsprach aber nicht den Erwartungen. Aufgrund enttäuschender Zahlen wurde der Abschnitt von der Heinrichsbrücke bis zum Dahliengarten schon im darauffolgenden Winter mit Zustimmung des Stadtrates nicht mehr befahren. Die verkürzte Linie C führte vom Bahnhof über die Schloßstraße bis zum Johannisplatz. Am 16. März 1896 änderte der Verkehrsbetrieb die Linienführung der Straßenbahn in Tinz—Pöppeln und Bahnhof—Debschwitz. Die Linie A blieb unverändert.
Im Jahre 1903 wurden die drei Linien nochmals neu eingeteilt. Es gab von nun an die Routen Untermhaus—Meuselwitzer Bahnhof, Tinz—Pöppeln und Preußischer Bahnhof-Debschwitz. Durch den Pendelverkehr ab dem 1. August 1903 auf den Streckenabschnitten Preußischer Bahnhof—Roßplatz und Heinrichsbrücke—Debschwitz hatte die Linie Tinz—Pöppeln eine besondere Bedeutung hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit: Es konnten täglich vier Triebwagen eingespart werden. Fahrgäste, die von Debschwitz zum Preußischen Bahnhof fahren wollten, mussten allerdings zweimal umsteigen.
Am 23. August 1922 wurden die Fahrten nach Pöppeln vorübergehend eingestellt. Infolge der Inflation war es zu erheblichen Verteuerungen gekommen. Die Straßenbahngesellschaft musste ihr Angebot reduzieren. Zwischen dem Roßplatz und der Endstelle Pöppeln verkehrten mittwochs und sonntags allerdings Sonderwagen. Es waren die Besuchstage im Krankenhaus. Ab dem 26. Oktober 1929 wurde der Streckenabschnitt nach Pöppeln wieder regulär befahren. Mit der Eröffnung der Omnibuslinie zum Krankenhaus am 23. November 1938 erübrigte sich dieser jedoch. Das Gleis in der damaligen Waldstraße wurde stillgelegt.
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