ZUNEHMENDE ABLEHNUNG VON WAHLERGEBNISSEN

„Das Ergebnis muss rückgängig gemacht werden”, verlangte Angela Merkel am 6. Februar 2020 von Südafrika aus, nachdem Tho­mas Kem­me­rich von der FDP im drit­ten Wahl­gang mit Hilfe der AFD zum Mi­nis­ter­prä­si­den­ten des Frei­staats Thüringen ge­wählt wor­den war. Nach der letzten Landtagswahl, als sich zeigte, dass die AFD nach den bisherigen Regeln immer mehr Einfluss gewinnen könnte, wurde die Geschäftsordnung des Parlaments angepasst, um dies zu verhindern.

Das Phänomen ist aber nicht nur auf Thüringen und Deutschland beschränkt, sondern überall dort zu beobachten, wo Kräfte aufkommen, die die bisherigen politischen Entscheidungen infrage stellen und die letzten zwanzig Jahre am liebsten ungeschehen machen wollen. Werden sie gewählt und erhalten Entscheidungsbefugnisse, wird alles unternommen, um deren Einfluss zu begrenzen. Die Aversionen gegenüber der jeweils anderen Seite werden immer stärker. Das ist auch in den USA zu sehen. Die meisten Berichterstatter nehmen Donald Trump in den Fokus, weil er Wahlergebnisse anzweifelt Manipulationen vermutet. Einige seiner Anhänger behaupten, dass tausende Ausländer und illegale Migranten, die von den Wählerlisten gestrichen wurden, nun wieder zur Wahl zugelassen sind. Den USA drohen also unruhige Zeiten, ganz gleich, wer die Wahl gewinnt. Auch gewaltbereite Trump-Gegner könnten für Schlagzeilen sorgen, wenn sie sich beispielsweise im Kampf gegen den Faschismus wähnen und von Schusswaffen Gebrauch machen. Auffällig ist die gehäufte Infragestellung des Wahlmännersystems seit Donald Trumps erster Präsidentschaft.

Das Anzweifeln von Wahlen, wenn sie nicht die erhofften Ergebnisse liefern, ist somit nicht nur auf eine Seite beschränkt und nimmt zu, je größer die befürchteten Verluste sind, etwa auf die Freiheit oder Lebensweise bezogen. Es bilden sich zwei Lager heraus, von dem jedes glaubt, das gegenüberliegende führe das Land in düstere Zeiten hinein. Auch in Georgien wurde das nach der umstrittenen Parlamentswahl deutlich. Michael Roth, SPD-Politiker und Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Deutschen Bundestages, ruft dazu auf, dieses nach seinen Worten manipulierte Wahlergebnis nicht anzuerkennen, weil das Land sonst den russischen Imperialisten anheim falle.

Mit hoher Wahrscheinlichkeit mündet die Entwicklung in eine Eskalationsspirale, weil jedes Lager seine politischen Ziele nur dann erreichen kann, wenn sich die auch große Mehrheit an der Verwirklichung beteiligt und nicht dagegen arbeitet. Eine lang anhaltende Zerrissenheit führt aber zunächst in eine höchst chaotische Phase mit den häufiger werdenden Rufen nach Wahlwiederholungen oder Neuwahlen.

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