KLIMANEUTRALES LEBEN — WORAUF SOLL VERZICHTET WERDEN?

Ein einfacher Lebensstil verursacht bereits mehr als sechs Tonnen CO₂ pro Jahr. Um als klimaneutral zu gelten, müsste dieser Wert auf unter eine Tonne pro Jahr und pro Kopf sinken.

Spätestens 2045 muss Deutschland klimaneutral sein — sonst drohen Strafzahlungen in Höhe von bis zu 90 Milliarden Euro. Allein für den Zeitraum bis 2030 könnten Zahlungen von bis zu 16,2 Milliarden Euro für den Kauf von Emissionszertifikaten fällig werden, wenn Deutschland den gegenwärtigen Kurs beibehält. Was die Klimaneutralität konkret im Alltag bedeutet, ist den meisten Menschen allerdings noch immer völlig unklar, obwohl sogenannte CO₂-Rechner bereits heute die Möglichkeit einer Kalkulation verschiedener Lebensumstände bieten.

Weil der CO₂-Ausstoß auch mit Hilfe neuer Technologien nicht bis auf das vorgegebene Niveau gesenkt werden kann, müssen sich die Menschen am Ende trotz erheblicher Investitionen und Umbauten stark einschränken. Möglicherweise wird ihnen dabei sogar mehr abverlangt, als sie heute ahnen.

Bei der öffentlichen Veranstaltung „Werkstatt Zukunft”, die in Kooperation mit dem Land Niedersachsen und der Universität Oldenburg durchgeführt wird, äußerte sich hierzu die bekannte Buchautorin Ulrike Herrmann. Sie ist Wirtschaftsjournalistin, arbeitet für die TAZ und sprach über die klimaneutrale Gesellschaft.

https://werkstatt-zukunft.org/index.php?id=start/2353-start.php

Ihre Ausführungen stimmen weitgehend mit dem überein, was der CO₂-Rechner des Umweltbundesamtes ausgibt. Konkret sagt Herrmann, der Wohnraum muss auf 50 Quadratmeter pro Kopf rationiert, der Neubau verboten werden. Rationierungen erachtet sie auch als notwendig für Fleisch und Eisenbahnkilometer. Wer also glaubt, er könne mit den Zug hinterher genauso viel fahren wie zuvor mit dem Auto, der irrt. Vermutlich kommt man aus seiner Wohngegend auch nicht mehr so schnell heraus. Herrmann sprach nämlich über eine notwendige Beschränkung der Fahrgeschwindigkeiten bei der Eisenbahn. In ihrem Buch „Das Ende des Kapitalismus” habe sie das nicht so detailliert ausgeführt, weil sie ihre Leser nicht verschrecken wollte. Sogar an Bezugsscheine, zum Beispiel für Wasser, müssen sich die Menschen gewöhnen.

Zudem weiß Herrmann, dass Finanzvermögen und Ersparnisse einen großen Teil ihres Wertes verlieren, wenn die Wirtschaft schrumpft. Derzeit scheint die deutsche Wirtschaft langsam in diesen Schrumpfungsprozess überzugehen. Für Verfechter der sozial-ökologischen Transformation ist das aber kein Problem — im Gegenteil. Eine Verkleinerung der Wirtschaft um bis zu 50 % ist sogar notwendig, sagt Herrmann. Das Geld verliert seine Bedeutung, wenn der Konsum gedeckelt wird.

Was den Straßenverkehr anbelangt, dürfen die heutigen PKW-Nutzer nicht von einer vollständigen Überführung in die Elektromobilität ausgehen. Künftig sollen nämlich viel weniger Autos auf den Straßen unterwegs sein. Deshalb werden die Kommunen in wenigen Jahren dazu übergehen, die Parkflächen zu reduzieren. Denn es gibt eine Kausalität zwischen der Anzahl der Parkplätze und der Anzahl der PKW, wie der Deutschlandfunk seinen Hörern am 11. Oktober 2024 in der Sendung „Hintergrund” erklärte. Das Umweltbundesamt nennt in der Broschüre „Die Stadt von morgen” einen Motorisierungsgrad von maximal 150 zugelassenen PKW pro 1000 Einwohner als Ziel, inklusive Car-Sharing und Taxi-Fahrzeuge. Derzeit gibt es in den meisten Städten dreimal so viele PKW pro 1000 Einwohner.

Ob die Menschen den angedachten Weg soweit mitgehen, wird allerdings immer mehr bezweifelt. Die hohen Investitionen werden finanziert über Schulden, und im weiteren Verlauf über eine Verringerung der angesparten Vermögenswerte — mit dem Ergebnis, dass man am Ende viel weniger darf als heute. Der wirtschaftliche, politische, kulturelle und soziale Wandel soll zu einer Gesellschaft mit angepassten Lebensweisen führen, die quasi auf dem Reißbrett passend zur Stadt der Zukunft entworfen wurde. Manche glauben, dass in letzter Konsequenz, wenn der Widerstand größer wird, auch mit einer verstärkten Angstmacherei, gesundheitlichen Bedrohungen, Verboten und harten Strafen gearbeitet wird.

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