BEEINFLUSSUNG DER DENKWEISE DURCH NEGATIVE SPRACHE

Eine neue, negative Sprache soll die Denkweise so verändern, dass eine bedrohliche Situation empfunden wird, die nach politischen und technologischen Lösungen verlangt.

Wenn permanent mit dramatischen Worten vor Krisen gewarnt wird, das Horrorszenario aber ausbleibt, verlieren die Begriffe langsam ihre Wirkung. Der sogenannte Gewöhnungseffekt macht sich bemerkbar. Das ist auch beim „Klimawandel” zu beobachten. Selbst die „Klimakrise” versetzt kaum noch jemanden in Angst und Schrecken. Auch fortlaufende Eilmeldungen bei hochsommerlichen Temperaturen, wie sie das Magazin „Focus” gern herausgibt, fruchten nicht mehr.

Der Neurolinguistiker Bálint Forgács beschäftigt sich deshalb mit der Anwendung neuer Formulierungen, um die Denkweise der Menschen zu verändern. Darüber berichtet die Berliner Zeitung, nachdem die Freie Universität Berlin über die „Studie A medical language for climate discourse“ des Wissenschaftlers geschrieben hatte, welche im Fachjournal „Frontieres in Climate“ veröffentlicht wurde.

https://www.berliner-zeitung.de/zukunft-technologie/klimawandel-sprache-balint-forgacs-interview-li.2240905

Globale Überhitzung, Hochofeneffekt, Klimazerstörung — aktive, klare, negative Ausdrücke wie diese sollen den Handlungsdruck erhöhen. Gesucht werden weitere Begriffe, die möglichst nicht verharmlost oder verfälscht werden können. Die neue Terminologie soll dazu führen, dass die Situation um das Klima wie eine Diagnose betrachtet wird, eine schwere Krankheit, die nach einer Therapie verlangt.

https://www.fu-berlin.de/presse/informationen/fup/2024/fup_24_152-klimakommunikation-medizinische-terminologie/index.html

Der TV-Sender „Welt” schien am 17. August 2024 schon ein wenig vorzubauen. Ein Beitrag um 14.37 Uhr war mit der Überschrift „Wirres Wetter weltweit” versehen. Es wurden Waldbrände gezeigt, als seien diese durch spontane Selbstentzündung entstanden, weil es zu heiß ist. Dabei sind die allermeisten auf Brandstiftung zurückzuführen, was bei der Berichterstattung aber nur noch eine untergeordnete Rolle spielt. Auch in Deutschland spiele das Wetter verrückt, hieß es weiter, um jedes Unwetter als Beleg dafür heranziehen zu können.

Der Forscher ist jedenfalls davon überzeugt, dass es in den nächsten dreißig Jahren ständig zu Katastrophen, unberechenbarem Wetter, tödlichen Hitzewellen und einem Anstieg des Meeresspiegels kommen wird. Möglicherweise werde sich die Erde sogar schon in wenigen Jahren in ein Treibhaus mit Dschungeln an den Polen verwandeln, und zwar plötzlich, ohne klare Anzeichen im Voraus. Die meisten der heute verwendeten Begriffe sind positiv, passiv und euphemistisch, kritisiert Forgács. Die „aktuelle Mode, professionell, diplomatisch und vernünftig zu klingen”, hält er für nicht mehr zeitgemäß. Er skizziert eine Bedrohungslage für die technologische Zivilisation und organisierte Staaten. Die Anwendung einer medizinischen Sprache soll bewirken, dass die Erde als ein behandlungsbedürftiger Patient angesehen wird.

Mit Blick auf die verwendeten Formulierungen fällt auch ein Beitrag des Deutschlandfunks vom 19. August 2024 auf. Dort ist das Wort „Klimaleugner” besonders oft zu hören — als ginge es darum, ebendieses zu etablieren. Man unterscheidet sogar die „individuelle Leugnung” (20:46) von der „organisierten Leugnung”. Die bisherige Anwendung des Wortes „Leugner” beschränkte sich weitgehend auf „Holocaust-Leugner”. Die neue Zusammensetzung soll offenbar bewirken, dass auch „Zweifler”, die zusammen mit den „Leugnern” in einem Atemzug genannt werden, wie Straftäter angesehen werden.

https://www.deutschlandfunk.de/die-klimaschutzverhinderer-mit-leugnern-auf-stimmenfang-dlf-3e99f9fe-100.html

Der Beitrag wirkt dadurch eher wie eine Kampfansage an Kritiker der Klimapolitik und insbesondere jene, die dagegen arbeiten, zumal da auch von einer „organisierten Klimawandelleugner-Szene” die Rede ist. Wie von selbst entstehen dabei Assoziationen, und zwar mit der organisierten Kriminalität, was offenbar gewünscht ist. Was passiert eigentlich, wenn auf der anderen Seite zum fanatischen Fundamentalismus und Radikalismus neigende Menschen dieser Insinuation folgen und dann, angesichts des drohenden Untergangs, in vorauseilender Weise handeln wollen, fest davon überzeugt, etwas gutes zu tun? Nur ganz nebenbei wird erklärt, dass die Leute, über die man spricht, den Klimawandel streng genommen nicht leugnen. Bezeichnet werden diese als „climate obstructionists”, sogenannte Klimaschutzverhinderer. Dass die Geldgeber im Hintergrund, die Finanzierungswege sowie Konzerninteressen genau beleuchtet werden, ist zwar richtig, wäre aber auch in vielen anderen Fällen wünschenswert. Weiterhin fällt auf, dass die Aussagen anderer kritisch überprüft werden, während man es mit den eigenen Formulierungen weniger genau nimmt. Da heißt es beispielsweise (25:02), seit Anfang der 1990er Jahre sei klar, CO₂ löse den Klimawandel aus, weshalb Emissionen verhindert werden müssten.

Was ist also von den neuen Formulierungen zu halten? Eine negative Sprache, die ein permanentes Bedrohungsszenario zeichnet, mit einer schwer erkrankten Erde, welche dringend medizinisch therapiert werden muss, die Zweiflern eine fast kriminelle Konnotation verleiht, kann nicht zu einer positiven Denkweise und damit zu positivem Handeln führen. Viel eher wird der psychische Stress zunehmen, die Gewalt einerseits, und die Flucht in Scheinwelten andererseits. Der Versuch, die Klimavorgaben irgendwie zu umgehen, was bei Auswirkungen auf den Lebensstandard sehr wahrscheinlich ist, führt dann sicherlich zu immer stärkeren Gegenmaßnahmen des Staates. Eine neue Form des Fanatismus würde das Leben zusätzlich erschweren. Die klimaneutrale Welt könnte sich so letztendlich als eine Dystopie erweisen.

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