Seit mehreren Wochen gehen in dem kaukasischen Staat Georgien, zumeist in der Hauptstadt Tiflis, immer wieder Menschen auf die Straße, teils in hoher Anzahl. Sie fordern den Beitritt Georgiens zur EU und lehnen das jüngst verabschiedete Gesetz über die Transparenz ausländischer Einflussnahme ab.
Dem neuen Gesetz zufolge müssen sich Medien und NGO registrieren lassen, wenn sie mehr als 20 % ihres Geldes aus dem Ausland erhalten. Die Menschen im Land sollen so Informationen darüber erhalten, wer wen finanziert, und woher das Geld kommt, heißt es zur Begründung.
Georgien ist seit Dezember 2023 EU-Beitrittskandidat. Im Oktober 2024 finden dort Parlamentswahlen statt. Die Regierung betrachtet die zahlreichen Nichtregierungsorganisationen aus der EU und den USA als Einfallstor für ausländische Agenten. Die Organisationen müssen künftig nicht nur ihre Finanzierung offenlegen. Wenn sie erklären, Geld aus dem Ausland zu erhalten, könnten die georgischen Behörden sie in regelmäßigen Abständen überprüfen und die Herausgabe vertraulicher Quellen erwirken. Ein ähnliches Gesetz gibt es in Russland bereits seit 2012. Kritiker der georgischen Regierung sehen das Gesetz nach russischem Vorbild gestaltet. Die NGO müssten sich selbst als unter ausländischem Einfluss stehende Agenten deklarieren. Der Bevölkerung könne vermittelt werden, dass die Organisationen unter westlichem Einfluss stehen.
Aber es gibt auch andere Sichtweisen. Diesen zufolge versucht der Westen über die Nichtregierungsorganisationen eine Revolution herbeizuführen, die sich gegen die Regierung richtet. Das Gesetz über die Transparenz ausländischer Einflussnahme soll dies unterbinden und die Souveränität Georgiens sichern. Doch der Westen akzeptiere die Entscheidung des frei gewählten Parlaments nicht und entsende Politiker, die in Georgien als Aufrührer aktiv würden. Als Beispiel wird der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Michael Roth, SPD, genannt. Er sprach am 15. Mai 2024 in Tiflis vor den Demonstranten. Man wende eine ähnliche Taktik wie in der Ukraine an, wo das Volk im Jahr 2014 gegen den damaligen Präsidenten Wiktor Janukowytsch mobilisiert wurde, heißt es weiter.
Janukowytsch strebte eine unabhängige, blockfreie Ukraine an, die „eine Brücke zwischen Russland und der EU“ bildet, und lehnte eine Nato-Mitgliedschaft ab. Zunächst war er prorussisch eingestellt, wurde dann aber von Seiten Russlands derart unter Druck gesetzt, sich in dessen Abhängigkeit zu begeben, dass sich seine Überlegungen änderten.
Auffällig ist, dass auf westlicher Seite in Beispielen für betroffene NGO häufig Organisationen aus dem Bereich LGBTQ genannt werden, was eine besondere Relevanz für gesellschaftliche Umbrüche nahelegt. Wie bei „Temida“ stehen dabei zunehmend transsexuelle Menschen im Mittelpunkt. Kritiker erkennen hier den Versuch, traditionelle Gesellschaftsstrukturen zu zerstören.
https://temida.org.ge/en/about-us
Tatsächlich ließe sich Georgien aus Sicht mancher Beobachter allein wegen der unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen leicht fragmentieren. Dazu müssten nur deren Interessen in den Vordergrund gestellt werden. Am Ende bliebe ein zerrissenes Land zurück, in dem Unruhen herrschen und auch etliche Familien zerrüttet sind bzw. keine neuen mehr zustande kommen, weil sich die Vorstellungen vom Zusammenleben geändert haben.
Unbestritten ist, dass durch Georgien wichtige Öl- und Gasleitungen verlaufen, welche das Land für die EU und die USA geostrategisch bedeutsam machen. Die Rohstoffe werden an Russland vorbei in den Westen geleitet. Die Lage der Konfliktgebiete um Russland lässt dei Frage aufkommen, ob der Westen eine Isolationstaktik verfolgt, um Russland wirtschaftlich einzuschnüren.
Im Grunde handelt es sich um den Kampf zweier expansionistischer Kräfte. Die Grenze des Westens verschiebt sich seit mehreren Jahrzehnten langsam und in mehreren Etappen nach Osten. Russland gab zwar vor, neutrale Pufferstaaten zu wünschen, doch diese Neutralität wäre durch den Druck Moskaus, die russischen Belange stärker zu berücksichtigen, ad absurdum geführt worden.
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