Russland hat kein Interesse an einem vollständigen Sieg in der Ukraine. Zu diesem Ergebnis kommt der Historiker Mark Episkopos in seiner Analyse für die Denkfabrik „Quincy Institute for Responsible Statecraft” aus den USA. Der russischen Regierung gehe es lediglich um die Sicherheit des Landes und strategische Zugeständnisse. Bereits die Belagerung ukrainischer Hochburgen wie Charkiw und Saporischschja seien eine enorme Herausforderung für die russische Armee. Die Besatzung der gesamten Ukraine wäre für Russland überhaupt nicht finanzierbar und ein hohes Risiko, weil der Westen dann versuchen könnte, die Kosten weiter in die Höhe zu treiben, indem er Partisanen finanziert und koordiniert. Die Wahrscheinlichkeit eines direkten Zusammenstoßes zwischen Russland und dem Westen würde mit der Einnahme der Ukraine steigen. Entstünde zwischen Ostpolen und der von Russland besetzten Westukraine eine neue Ost-West-Grenze, könnte sich ein gefährlicher Krisenherd entwickeln. Russland habe wenig zu gewinnen und viel zu verlieren, wenn es in der Ukraine gewinnt, so Episkopos in seiner Kurzfassung der Sachlage.
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Die russische Regierung beabsichtige nicht, Polen, die baltischen Staaten oder andere Nato-Staaten zu erobern. Vielmehr wolle sie die USA und ihre Verbündeten zu mehreren strategischen Zugeständnissen bringen, wie die Rücknahme einiger Nato-Osterweiterungen und die Begrenzung der Truppenstationierung an der Ostflanke der Nato. Sie verfolge das Ziel, entmilitarisierte Pufferzonen in der Ukraine einzurichten, die nicht unter russischer Kontrolle stehen.
Die Strategie der russischen Regierung bestehe im Wesentlichen darin, die wachsenden Vorteile als Druckmittel für Verhandlungen mit dem Westen zu nutzen, schreibt Episkopos. Europa und die USA dagegen hätten keine kohärente Strategie. Sie hielten starr an dem Leitsatz fest, Russland dürfe in der Ukraine nicht siegen, weil es seine Angriffe sonst auf Nato-Mitglieder in Europa ausdehnen werde. Es gebe alarmistische Vorhersagen, die mehr verschleiern anstatt etwas über die Absichten und Fähigkeiten Russlands auszusagen, so Episkopos.
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