WARUM DIE WAHRSCHEINLICHKEIT FÜR VERBOTE STEIGT

Der CO₂-Ausstoß in der EU soll bis zur soganannten Klimaneuralität gesenkt werden, doch die nötige Infrastruktur für eine alternative Versorgung ohne CO₂-Emissionen wächst langsamer als das Ziel näher rückt. Der Grund sind die hohen Investitionssummen. Das benötigte Geld ist eigentlich nicht vorhanden, wodurch die Schuldenbremse zunehmend infrage gestellt wird.

Was nun droht, ist eine finanzielle Überforderung bei gleichzeitig geringem Wirtschaftswachstum, denn es werden Investitionen abverlangt, ohne dass der Ertrag oder die Leistungsfähigkeit dadurch gesteigert werden könnte. Denn genaugenommen handelt es sich um Investitionen, die getätigt werden sollen, um eine höhere Abgabenlast oder Strafe zu vermeiden. Besonders im Fokus stehen nun die Bereiche Gebäude und Verkehr, da sie als große CO₂-Emittenten identifiziert wurden und sich eine Reduktion als äußert schwierig erweist.

Nachdem der Novellierung des Klimaschutzgesetzes nun nichts mehr im Wege steht und ein Ausgleich innerhalb der Sektoren künftig erlaubt sein wird, sind viele Menschen erleichtert, dass die von Verkehrsminister Wissing ins Gespräch gebrachten Tempolimits und Fahrverbote nicht kommen werden. Doch diese Erleichterung dürfte nur von kurzer Dauer sein, wie einige Äußerungen von nicht unbedeutenden Personen vermuten lassen.

Mit Blick auf die Klimaschutzziele der EU sowie die Verpflichtungen im Bereich Verkehr und Gebäude sagte Lisa Badum, die Obfrau der Grünen im Ausschuss für Klimaschutz und Energie des Bundestages am 12. April 2024 im Deutschlandfunk, es drohten Strafzahlungen von mindenstens 130 Milliarden Euro beim Verfehlen der Ziele.

Nach Ansicht der Ökonomin und Transformationsforscherin Maja Göpel handelt das Bundesministerium für Digitales und Verkehr nicht schnell genug. Sie könne auch keine ernsthaften Bemühungen erkennen. In einem Gespräch im Programm Deutschlandfunk Kultur, ausgestrahlt am 16. April 2024, war davon die Rede, dass die Transformation ohne Verzicht und Zumutungen nicht zu bewerkstelligen sei. Zu möglichen Verboten sagte Göpel, es werde bereits seit 50 Jahren über Veränderungen diskutiert, und die Richtung sei klar gewesen. Es habe viele Mechanismen gegeben — von Selbstverpflichtungen über Zahlungen bis hin zu Anreizsystemen. Wenn irgendwann erkennbar sei, dass die Ziele mit diesem Mechanismen nicht mehr erreicht werden könnten, werde eine verbindliche Regel für alle, meistens als Verbot bezeichnet, als Befreiungsschlag empfunden, ist Göpel überzeugt. Für Investitionen wäre dies eine Richtungssicherheit. „Klare Ansagen”, zum Beispiel im Bereich Verkehr, welcher kein Standard mehr sei, der ins 21. Jahrhundert passe, wären eigentlich nur ein Fortschrittsbeschleunigungsinstrument, aber kein Verbot, so die Deutung der Transformationsforscherin. Die Behauptung, es könne alles so bleiben wie heute, sei eine Farce. Es werde verändert „by design” oder „by desaster”, und der Normalismus werde nicht so bleiben wie heute. Göpel nahm in diesem Zusammenhang auch Bezug zum Freiheitsbegriff. Dieser habe eine intertemporale Komponente. Die Freiheit von heute dürfe nicht zu Lasten der Freiheit kommender Generationen gehen, sagte sie sinngemäß mit Blick auf drohende Einschränkungen.

Die Wahrscheinlichkeit für „klare Ansagen” im Bereich Verkehr erhöht sich auch deshalb, so einige Beobachter, weil es neben den CO₂-Vorgaben weitere Reduktionsziele gibt. So werden in der EU die Grenzwerte für Luftschadstoffe abgesenkt, mit Verweis auf zu viele Krankheits- und Todesfälle. Dies betrifft insbesondere den Feinstaub, Stickstoffdioxid und Schwefeldioxid. Zudem will die EU die Zahl der Verkehrstoten auf nahezu Null reduzieren. Auch hier wird das Ziel derzeit deutlich verfehlt. Im Jahr 2022 starben laut dem Europäischen Rechnungshof 20’640 Menschen infolge eines Verkehrsunfalls.

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