POLITISCHER STREIT ÜBER CO2-REDUKTION IM BEREICH VERKEHR

Ab 2045 soll Deutschland klimaneutral sein. Der motorisierte Individualverkehr wird dann nur einen sehr kleinen Spielraum haben.

Dem Bundesminister für Digitales und Verkehr, Volker Wissing, FDP, gelingt es nicht, die CO₂-Emissionen im Verkehrssektor zu reduzieren. Laut dem Umweltbundesamt werden dort die Jahresemissionsziele für 2024 verfehlt. Der Ausstoß müsste um 22 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalente bzw. 15 % verringert werden.

Das Bundeskabinett hatte sich zwar auf eine Novellierung des Klimaschutzgesetzes geeinigt, doch der Werdegang bis zum Inkrafttreten wird möglicherweise noch mehrere Monate dauern. Wissing wirft den Grünen vor, die Novellierung auszubremsen.

Das neue Klimaschutzgesetz würde einen Ausgleich innerhalb der Sektoren erlauben. Verfehlt der Verkehrssektor seine Vorgaben, müssten andere Sektoren dann allerdings mehr leisten, damit das Gesamtziel dennoch erreicht wird.

Wenn die Novellierung nicht bald gelingt, droht ein Sofortprogramm. Der Bundesverkehrsminister hält Fahrverbote dann für unumgänglich, weil die angegebene Reduktionsmenge nur durch ein zweitägiges Fahrverbot zu erreichen sei. Das sagte er fünf Wochen vor der nächsten Gerichtsverhandlung zum Klimaschutzgesetz, die am 16. Mai 2024 stattfindet. Geklagt wegen der Verfehlung hatte die Deutsche Umwelthilfe.

Derzeit sind solche Fahrverbote allerdings eher unwahrscheinlich; von Seiten der FDP als Teil der Regierungskoalition würde es hierfür keine Zustimmung geben, schätzen Beobachter ein. Sie gehen davon aus, dass Wissing die Grünen politisch unter Druck setzen will, damit die Novellierung des Klimaschutzgesetzes bis Mitte Juli 2024 abgeschlossen ist. Andernfalls würde weiterhin die alte Regelung gelten, wonach jeder Sektor seine Vorgaben zur CO₂-Reduzierung erfüllen muss. Für den Verkehrssektor wäre das ein Problem, weil er ebendiese Vorgaben ohne größere Maßnahmen nicht erfüllen wird.

Die Grünen kritisieren, der Verkehrsminister betrachte seinen Sektor nicht vollumfassend. Zu ihm gehörten nicht nur der Autoverkehr, sondern auch Schiffe und Flugzeuge. Er habe zwei Jahre verstreichen lassen, um jetzt mit Horrorszenarien zu drohen. Ein Tempolimit für Straßen wäre nach Ansicht der Grünen ausreichend, wenn auch die anderen Teilbereiche im Verkehrssektor CO₂-Äquivalente einsparen, oder wenn das Tempolimit früher eingeführt worden wäre.

Die Deutsche Umwelthilfe fordert Geschwindigkeitsbegrenzungen von 100 km/h auf Autobahnen, 80 km/h außerhalb von Ortschaften und 30 km/h innerhalb von Orten. Wissing fürchtet, dass er mit solchen Beschränkungen die Bürger gegen sich aufbringt.

Dr. Wiebke Zimmer, stellvertretende Direktorin der Denkfabrik „Agora Verkehrswende”, sagte am 12. April 2024 im Deutschlandfunk, mit dem Tempolimit ließen sich pro Jahr bis zu sechs Millionen Tonnen CO₂ einsparen. Sie erachtet mehrere Maßnahmen notwendig, um das Einsparungsziel zu erreichen, wie die Förderung der Elektromobilität bei PKW und LKW, die Förderung des öffentlichen Verkehrs sowie des Rad- und Fußverkehrs. Bis zum Jahr 2030 müssten 15 Millionen der PKW in Deutschland elektrisch betrieben sein. Die Expertin schlägt hier eine Einmalzahlung beim Verkauf von Verbrennerfahrzeugen vor, mit der wiederum die Prämie für E-Fahrzeuge finanziert werden könnte.

Bleiben die Emissionswerte im Verkehrssektor weiterhin über den vorgegebenen Werten, werden später tatsächlich radikale Maßnahmen notwendig sein, wenn die Ziele noch erfüllt werden sollen. Einige Beobachter halten Fahrverbote als Ultima Ratio ab 2030 für möglich. CO₂-Rechner zeigen ohnehin, dass individueller Kraftfahrzeugverkehr mit der sogenannten Klimaneutralität, die Deutschland bereits 2045 erreichen will, kaum zu vereinbaren ist.

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