Wohin führt die Digitalisierung, wenn irgendwann die ganze Stadt mit Sensoren übersäht, und alles verknüpfbare miteinander vernetzt ist? Der technische Fortschritt akzeptiert bekanntlich keine Grenzen, womit sich die Frage stellt, ob der gegenwärtige Digitalisierungsrausch und Optimierungswahn in ferner Zukunft nicht irgendwann pathologische Züge annimmt.
Auf einer Seite des Bundesministeriums für Bildung und Forschung gibt es jedenfalls interessante Ausblicke. Zuerst beginnt alles ganz harmlos. Irgendwo werden Sensoren angebracht, die Daten liefern, welche kaum jemanden interessieren. Dann geht es um Nachhaltigkeit, Systemfragen und schließlich die „wechselseitige Entgrenzung von Technologie und Biologie”. Mittlerweile kommen offenbar aber auch im Ministerium auf, denn es müssen ja „nicht unbedingt wünschenswerte Zukunftsbilder für die Bundesregierung oder das Zukunftsbüro des BMBF” sein, die dort vorgestellt werden.
Wenn es um die Digitalisierung geht, um Sensoren, Daten und Vernetzungen, wird dennoch häufig der Eindruck vermittelt, es handele sich um eine unabwendbare Entwicklung, vergleichbar mit einer neuen Wetterlage, die sich nicht verhindern sondern nur vorhersagen lässt. Man fordert die Menschen unterschwellig auf, mitzumachen, weil sie sonst den Fortschritt bremsen und so der Zukunft im Wege stehen.
Wie es sich in so einer Stadt mit unzähligen Echtzeitdaten lebt, kann man beim Weltwirtschaftsforum nachlesen, das ja bekannt ist für seine relativ genauen Vorhersagen. Ein aufschlussreicher Artikel, der am 10. November 2016 im Wirtschaftsmagazin „Forbes” erschien, ist dort mittlerweile gelöscht und nur noch in verschiedenen Archiven zu finden.
„Welcome to 2030. I own nothing, have no privacy, and life has never been better”
Darin nimmt Ida Auken, „Young Global Leader” und Mitglied des „Global Future Council on Cities and Urban” beim Weltwirtschaftsforum, eine Zukunftsperspektive ein und beschreibt zufrieden „ihre Stadt” im Jahr 2030: Sie hat nichts, hat keine Privatsphäre, kein Auto, kein Haus, keine Geräte und auch keine Kleidung. Aber das Leben war noch nie besser. Alles, was früher als ein Produkt angesehen wurde, ist nun zu einer Dienstleistung geworden. Man muss eine Bestellung absenden, dann werden Dinge wie Küchengeräte nach Hause geliefert. Sie zahlt auch keine Miete für ihre Wohnung, weil diese während ihrer Abwesenheit von anderen Leuten genutzt wird, zum Beispiel für Geschäftstreffen. Die Sensoren und Echtzeitdaten machen es möglich. Offensichtlich gibt es in der Zukunft auch Sperrgebiete, denn Auken schreibt, niemand würde es wagen, die Schutzgebiete der Natur anzutasten. In den Städten gibt es ja schließlich genügend Grünflächen mit Bäumen und anderen Pflanzen. Das Einkaufen gehört auch der Vergangenheit an. Ein Algorithmus, der den eigenen Geschmack besser kennt als man selbst, wählt die passenden Lebensmittel aus, und Roboter bringen diese dann vor die Haustür. Weil ihnen viel Arbeit abgenommen wurde, hatten die Stadtbewohner anfangs nicht viel zu tun, so Auken. Doch ihre Langeweile legten sie irgendwann ab und wurden zu schöpferischen Denkern.
Außerhalb der Städte leben in der Zukunftsvision des „Global Future Council on Cities and Urban” nur noch die zurückgebliebenen Menschen, welche sich gegen das System gewandt haben. Sie wohnen als Selbstversorger in kleinen Gemeinden oder leeren, verlassenen Dörfern. Die Visionärin ist zwar manchmal verärgert darüber, dass sie keine echte Privatsphäre mehr hat, weil jede Bewegung, jeder Gedanke und jeder Traum aufgezeichnet wird, doch ein Chip im Gehirn ist ihr lieber als das frühere System mit seinen Umweltverschmutzungen und sozialen Unruhen. Sie hofft aber, dass die ganzen Aufzeichnungen nicht irgendwann gegen sie verwendet werden, was natürlich durchaus passieren könnte, wenn sie sich über die mangelnde Privatsphäre ärgert.
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