WAS DIE DEMOKRATIE BESONDERS SCHWÄCHT

Es gibt Leute, die beklagen in Zeitungen, Radio und Fernsehen eine zunehmende Gefahr für die Demokratie. Sie selbst nehmen sich dabei immer als „die Guten“ wahr, in der Überzeugung, keinen Anteil an der gegenwärtigen Misere haben. Schuld ist aus ihrer Sicht der Pöbel, welcher in einer komplizierten Zeit nach einfachen Antworten sucht und dabei andauernd auf Populisten hereinfällt. Sie schreiben Bücher, Kommentare, Kolumnen, die meistens eine reichliche Portion Verachtung für Bevölkerungsgruppen enthalten, von denen sie sich durch ihr Wissen um die großen Zusammenhänge abgrenzen möchten. Betroffen sind nur solche Leute, die im eigenen Weltbild stören. In ruhigen Zeiten werden sie ignoriert, in stürmischen diffamiert. Die einfache Denkweise, welche sie anderen vorwerfen, legen sie dann selbst an den Tag, was daran erkennbar ist, dass die Kommentare nur so vor Abwertungen strotzen. Dass sie den ganzen Erosionsprozess damit beschleunigen, wollen sie überhaupt nicht wahrhaben.

Ein gutes Beispiel dafür ist ein Artikel von Carolin Emcke in der Süddeutschen Zeitung vom 12. Januar 2024. In ihrer Kolumne bezeichnet sie die in Schlüttsiel protestierenden Bauern als „entgrenzten Mob”, der die Fähre von Robert Habeck stürmen wollte.

https://www.sueddeutsche.de/meinung/carolin-emcke-demokratie-afd-dialektik-der-aufklaerung-kommentar-1.6331902

Einen Stürmungsversuch hat es zwar nach Polizeiangaben nicht gegeben, doch das scheint der Publizistin in diesem Falle nicht so wichtig zu sein. Sie ereifert sich über Leute, die sich gegen „die da oben”, gegen „die Elite”, gegen „die Globalisten” wenden, merkt aber selbst nicht, wie sie in umgekehrter Weise genauso verfährt und sich im Prinzip nach unten hin abgrenzt, als gäbe es dort irgendeine primitive Spezies, mit der man sich nicht weiter beschäftigen muss. Demonstranten sind für sie „der Mob auf der Straße”, und das wohl auch nur, wenn das Anliegen bestimmten Narrativen zuwiderläuft. Allein die Überschrift „Das Werk der Zerstörung” zeigt, wie die Publizistin denkt, wenn gleich darunter ein Bild mit „wütenden Bauern” eingestellt ist.

Die Gesellschaft soll nämlich lernen, sich zu entwickeln, und der dumme Bauer gefälligst die Klappe halten und sich fügen. Das schreibt sie zwar nicht, springt aber zwischen den Zeilen hervor.

Eine ähnliche Einstellung hat die Schriftstellerin Karen Duve. Sie findet es eine Unverschämtheit, dass zehntausende Bauern auf der Straße gegen die Streichung von Subventionen demonstrieren und meint: Die Bauern sind völlig unsolidarisch. Sie arbeiten gegen die Konsumenten und alle anderen Bürger.

https://www.deutschlandfunk.de/unsolidarische-bauern-schriftstellerin-karen-duve-zum-protest-dlf-8b1a3cd6-100.html

Alle müssten Sparen und es gäbe keinen Grund, die frechen Bauern, die ja nur ein Prozent der Bevölkerung darstellen aber zu den Hauptverursachern des Klimawandels gehören, davon auszunehmen. Die Leute würden überhaupt nicht merken, wie sie von den Bauern an der Nase herumgeführt werden. Diese hätten 2016/2017 ganz groß die Hände aufgehalten, 600 Millionen Euro bekommen und würden niemals für das geradestehen, was sie selbst verursachen. Immer müsse die Allgemeinheit für sie zahlen. Und dann wollten sie noch obendrauf Geld erhalten. Wenn sie könnte, würde sie den Bauern nun alle Subventionen streichen, nachdem, was sie sich geleistet haben, sagte Duve im Programm Deutschlandfunk Kultur. Dabei rückte sie die Bauern mit ihrem „Schutzgeldverhalten” sogar in die Nähe Hells Angels, weil sie das Grundwasser vergiften und Geld dafür erhalten würden, damit sie dies unterlassen.

Auch das ist alles andere als ein Beitrag zur Beschwichtigung. Gleichzeitig wird anderen vorgeworfen, Stimmung zu verbreiten und die Gesellschaft zu spalten. Es muss gekürzt, eingespart und transformiert werden, ist man überzeugt. Wer deswegen auf die Straße geht, weil er dadurch in Schwierigkeiten kommt, während andere Bereiche von den Einsparungen überhaupt nicht betroffen sind, dem wird die gesellschaftliche Relevanz aberkannt, in dem man von einer kleinen lauten Minderheit spricht und ahnungslos fragt, warum denn die große Mehrheit so leise ist.

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