Für die einen sind bereits die Bewohner aus der Nachbarstadt völlig fremd, während andere dasselbe Empfinden erst bei Menschen aus anderen Ländern haben. Eine scharfe räumliche Grenze gibt es nicht. Meistens erscheinen Menschen umso fremder, je weiter weg sie wohnen, und je stärker sich deren Lebensweise von der eigenen unterscheidet. Umgekehrt ist es so, dass mit zunehmender Ähnlichkeit die Sympathie wächst.
Früher wurden bereits Menschen als fremd angesehen, wenn sie aus einem anderen Ortsteil kamen. Man grenzte sich eindeutig voneinander ab und stellte ortsbezogen seine Identität heraus, zum Beispiel mit Symbolen, der Kleidung oder über die Mundart. Für andere hielt man häufig abfällige Reime wie diesen:
„Zwötzen mei Lam, Pforten danam — vnd vor Tinz, Bieblach vnd Schwaare mög‘ vns der liebe Gott bewahre.”
Das Leben spielte sich meistens in der unmittelbaren Umgebung ab. Das Dorf oder die Stadt hat man nicht häufig verlassen. Doch mit zunehmender Mobilität wurde der Begriff Heimat immer weiter gefasst. Das Fremde rückte dabei immer weiter weg.
Auch heute ist das Empfinden von Fremdheit abhängig vom Bewegungsradius, der aber von Mensch zu Mensch unterschiedlicher ist als jemals zuvor. Wer in einer reisefreudigen Familie aufgewachsen ist und mehrmals jährlich mit dem Flugzeug andere Länder besucht, kann meistens nicht nachvollziehen, weshalb ein anderer bereits mit dem Nachbarland fremdelt. Die großen Mobilitätsunterschiede können innerhalb ein und derselben Gesellschaft für Spannungen sorgen, weil sowohl die Heimat als auch die Fremde unterschiedlich definiert werden. Wo die Mobilität abnimmt, droht sogar ein Rückfall in altes Revierdenken.
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