ZUNEHMENDE SPANNUNGEN INNERHALB DER REGIERUNG

Insbesondere zwischen der FDP und Bündnis ’90/Die Grünen nehmen die Spannungen zu. Ohne die Bereitschaft zu Kompromissen könnten diese sogar zu einem Bruch der Regierungskoalition führen.

Derzeit gibt es erhebliche Differenzen zwischen Finanzminister Christian Linder, FDP, und Familienministerin Lisa Paus, Bündnis ’90/Die Grünen. Streitthema ist die Grundsicherung, einer staatlichen Transferleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts von Kindern. Lisa Paus will einen Betrag von 573 Euro realisieren, der bei Bedarf bis zum 27. Lebensjahr gezahlt werden soll. Eine solche Kindergrundsicherung würde laut dem DGB 12,5 Milliarden Euro im Jahr kosten. Paus veranschlagt aber deutlich weniger, nämlich 3,5 Milliarden Euro pro Jahr, und hat ihren Gesetzesentwurf schon fertiggestellt. Selbst diese Summe erscheint den Finanzminister zu hoch. Seiner Ansicht nach geht es bei der Bekämpfung der Kinderarmut insbesondere um den Nachwuchs der seit einigen Jahren nach Deutschland eingewanderten Menschen aus Armutsregionen. Er sehe „einen klaren Zusammenhang” zwischen Einwanderung und Kinderarmut, sagte er am 22. August 2023 gegenüber dem Bayerischen Rundfunk. Seine politischen Gegner kontern, viele deutsche Kinder gälten allein deshalb als nicht mehr von Armut bedroht, weil durch die Zuwanderung das sogenannte mittlere Einkommen, an dem eine Armutsgefährdung gemessen wird, gesunken ist. Dadurch erscheinen sie, ohne einen Euro mehr erhalten zu haben, nicht mehr in der Statistik.

Für den Finanzminister haben wirtschaftliche Themen Vorrang, zumal da er auch sein Wählerklientel im Auge behalten muss. Mit einem sogenannten Wachstumschancengesetz wollte Lindner die Liquiditätssituation von Unternehmen verbessern und Impulse setzen. Geplant hatte er Steuererleichterungen von sechs Milliarden Euro. Im Bundeskabinett stand Lindners Vorschlag am 16. August 2023 zur Abstimmung. Paus blockierte ihn, weil Lindner für die Kindergrundsicherung deutlich weniger als die 3,5 Milliarden Euro genehmigen wollte. Der Finanzminister stellt diese inhaltlich infrage, weil es seiner Ansicht nach nicht allein helfe, mehr Geld auf das Konto der Eltern zu überweisen. Lindner schlug vor, in die Integration, Sprachförderung und Beschäftigungsfähigkeit der Eltern zu investieren und Schulen sowie Kindergärten besser auszustatten. Nun fragt sich aber die Gegenseite, warum er dann nicht das zentrale Bildungsvorhaben der Regierung, und zwar das Programm zur Unterstützung von Brennpunkt-Schulen, mit deutlich mehr Geld aus dem Bundeshaushalt ausstattet.

Die Spannungen innerhalb des Regierungsbündnisses dürften noch weiter zunehmen, weil der linke Flügel von Bündnis ’90/Die Grünen immer massiver gegen die FDP arbeitet. Letztendlich geht es um viel Geld, das im Zuge der Transformation bewegt werden muss, um hohe Investitionen bei immer weiter steigenden Schulden. Wegen der engen Finanzspielräume will Ricarda Lang von Bündnis ’90/Die Grünen, dass die Schuldenbremse mit einer neuen Methode umgangen wird: Der Bund würde öffentliche Investitionsgesellschaften mit Kapital ausstatten. Mit diesem Geld sollen die Gesellschaften Kredite aufnehmen können und das dann zur Verfügung stehende Geld investieren. Der Bund allerdings müsste für die Kredite der öffentlichen Investitionsgesellschaften bürgen.

Der Streit zwischen der FDP und Bündnis ’90/Die Grünen ist im Grunde auf gegensätzliche Positionen zurückzuführen, welche wiederum den unterschiedlichen politischen Ansätzen geschuldet sind. Während die FDP von einer Selbstregulierung des freien Marktes ausgeht und staatliche Eingriffe weitgehend ablehnt, setzen die Grünen, insbesondere bei den Themen CO₂ und Klima, auf staatliche Lenkungen, Umverteilungen, Förderprogramme und Verbote. Fest steht, dass es der FDP immer schwieriger fallen wird, ihre Wähler zu bedienen. Denn die geplante Transformation der Wirtschaft hat am Ende zur Folge, dass es einen freien Markt im heutigen Verständnis nicht mehr geben wird.

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