Nach Angaben der Bundesregierung fehlen in Deutschland derzeit rund 630’000 Fachkräfte. Entsprechend hoch ist die Anzahl der offenen Stellen, für die es keine passend qualifizierten Arbeitslosen gibt. Doch unter ausländischen Fachkräften, die sich international orientieren, ist Deutschland nicht die erste Wahl.
Mit dem neuen Fachkräfteeinwanderungsgesetz soll nun der Rahmen für die Einwanderung von qualifizierten Fachkräften aus Ländern außerhalb der EU nach Deutschland erweitert werden. Beschlossen wurde die Reformierung des bereits im August 2019 erlassenen Gesetzes am 23. Juni 2023 mit 388 Für- und 234 Gegenstimmen sowie 31 Enthaltungen. Die Regierungsparteien stimmten dafür, CDU und AFD dagegen. Die Linkspartei enthielt sich. Innenministerin Faeser sprach vom modernsten Einwanderungsrecht der Welt.
Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Union, Lindholz, bezeichnete die Vorlage als eine Mogelpackung. Sie ermögliche vor allem die Zuwanderung von Geringqualifizierten und verschaffe ausreisepflichtigen Menschen ein Bleiberecht. Norbert Kleinwächter, stellvertretender Franktionsvorsitzender der AFD, warnte, es werde vor allem die Einwanderung in deutsche Sozialsysteme ermöglicht. Gökay Akbulut, Sprecherin der Linkspartei, forderte, die Rechte von Migranten beim Familiennachzug stärker zu berücksichtigen.
Durch das Gesetz sollen Fachkräfte mit beruflicher, nicht-akademischer Ausbildung leichter nach Deutschland einwandern können, um zu arbeiten. Bereits bestehende Regelungen für Fachkräfte mit Hochschulabschluss werden fortgeführt und teilweise weiter erleichtert.
Weniger im Fokus stehen die hierzulande bereits vorhandenen nicht arbeitenden Menschen im erwerbsfähigen Alter. Denn viele der rund 3,5 Millionen Arbeitslosen in Deutschland sind Experten zufolge unzureichend gebildet und aufgrund ihrer geringen Auffassungsgabe und Belastbarkeit kaum für den hiesigen Arbeitsmarkt geeignet. Eine Investition in Qualifizierungsmaßnahmen würde bei verhältnismäßig hohen Kosten kaum Erfolg bringen.
Aus mehreren Gründen ist die Bildung in Deutschland ohnehin ein schwieriges Thema. Zu beobachten ist ein Abwärtstrend. Jedes Jahr scheitern 20 % der Schulabgänger vor dem Beginn einer Ausbildung bereits am Einstellungstest, können weder richtig lesen noch rechnen — mit gravierenden Folgen: Derzeit haben rund 2,5 Millionen Menschen zwischen 20 und 34 Jahren keinen Berufsabschluss. Weitere drei Millionen können von ihrer Arbeit nicht leben. Bis zu 25 % der Beschäftigten erhalten für ihre Arbeit nicht mehr als den Mindestlohn.
Deutschland ist immer weniger in der Lage, vorhandenes Wissen der nächsten Generation zu vermitteln und setzt auf Einwanderung, um bereits fertig ausgebildete Menschen für den hiesigen Arbeitsmarkt zu gewinnen. Die Ausgaben für die Bildung können so weiterhin knapp gehalten, und notwendige Reformen verschoben werden.
Kritiker bezeichnen Deutschland als ein Auswanderungsland für qualifizierte Fachkräfte. Angefangen vom Mechaniker bis hin zum Physiker ziehe es immer mehr Menschen in Länder mit niedrigeren Steuern und einer besseren digitalen Infrastruktur.
Für höher qualifizierte ausländische Fachkräfte dürfte Deutschland trotz des neuen Einwanderungsgesetzes weiterhin überwiegend uninteressant bleiben, weil sie befürchten, dass es sich zu einem Standort mit zunehmend prekären Arbeitsbedingungen entwickelt und sie letztlich nur verschlissen werden. Als Problem wird zuweilen auch die verhältnismäßig schwierige Sprache genannt, die eigens für diesen Wirtschaftsstandort erlernt werden muss.
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