ROBERT HABECK UND DER ZERSTÖRTE DEUTSCHE WALD

„Für uns ist es sehr spannend zu verstehen, wie ihr im Wald leben könnt und den Wald schützen könnt, weil in Deutschland vor tausend Jahren die Deutschen alle Bäume gefällt haben.“ So zitiert die Zeitung „Welt“ den Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, Robert Habeck. Gesagt haben soll er das im März 2023 vor den Bewohnern eines Dorfes im brasilianischen Regenwald, die er gemeinsam mit Cem Özdemir, den Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft, besucht hatte.

Der Minister wurde für seinen Sprachstil gegenüber diesen Menschen heftig kritisiert. Auch inhaltlich werden die Äußerungen vielfach als unzutreffend zurückgewiesen. Haben die Deutschen vor eintausend Jahren wirklich alle Bäume gefällt, oder zumindest einen Großteil des damaligen Waldes? Möglicherweise handelt es sich um eine bewusste Zuspitzung. Doch was geschah wirklich?

Die entscheidende Frage ist, wie weit man in die Vergangenheit zurückschauen möchte. Gesteinsaufschlüsse zeigen, dass der Kontinent Europa eine wechselvolle Geschichte hinter sich hat. Es gab Wüsten, Meere, Wälder, Eis- und Graslandschaften. In jeder Epoche unterschied sich die Landschaft grundlegend von der vorherigen.

Großflächige Wälder, die sich völlig unbeeinflusst vom damals noch nicht vorhandenen Menschen entwickeln konnten, gab es in Mitteleuropa zuletzt im Zeitalter des Pliozän. Doch diese wurden durch den natürlichen Klimawandel zerstört. Die Temperaturen sanken vor 3,2 Millionen Jahren allmählich, und große Eismassen arbeiteten sich nach Süden vor. Nachdem sich in Mitteleuropa die eiszeitlichen Gletscher zurückgezogen hatten, entstand zunächst eine steppenartige Landschaft, in der auch Menschen siedelten, jagten und sammelten. Der Wald kam erst langsam wieder zurück und wurde, je mehr er sich ausbreitete, immer stärker genutzt. Eine häufige anzutreffende Baumart dürfte die Eiche gewesen sein. Die Kiefer wanderte nach der Eiszeit von Osten kommend in Mitteleuropa ein.

Bereits sehr früh wurden mittels Brandrodung neue Vegetationsflächen geschaffen. Ab der Bronzezeit vor 4000 Jahren benötigte man Holz für Schmelzöfen und die Metallverarbeitung. Zu dieser Zeit war aufgrund klimatischer Voraussetzungen die Eiche weit verbreitet, ab der Eisenzeit die Buche. Mit Beginn der Eisenzeit stieg der Holzbedarf stark an. In den Jahren 600 bis 800 kam es zu einer größeren Landnahme. Übrig blieb ein stark zersiedelter Wald, der zugleich recht intensiv bewirtschaftet wurde. Üblich war beispielsweise die Beweidung im Wald. Das Laub wurde aus den Wäldern herausgeholt, um es als Einstreu zu nutzen; mit dem Reisig heizten die Menschen ihre Häuser. Die Böden in den Wäldern waren demzufolge erheblich devastiert. Eine größere Rodungswelle in den Jahren 1000 bis 1300 führte schließlich dazu, dass nur noch 17 % der Fläche Deutschlands mit Wald bedeckt waren. Man benötigte viel Holz für den Schiffsbau, aber auch für die wachsenden Städte.

Der heutige Wald ist in einem deutlich besseren Zustand als jener des Mittelalters, weil die Ressourcengewinnung zu einem beachtlichen Teil in andere Länder verlagert wurde. Der Flächenanteil beträgt inzwischen 29,8 %. Doch seit einigen Jahren sind gravierende Veränderungen zu beobachten — ein größeres Baumsterben hat begonnen. Betroffen sind überwiegend Baumarten, die in den jeweiligen Bereichen nicht zur ursprünglichen natürlichen Vegetation gehörten. Nadelbäume wurden häufig zur Holzgewinnung angepflanzt und stehen heute dort, wo es sie ursprünglich nicht gab. Stürme und Trockenheit hinterlassen nun riesige „Löcher“ in den Wäldern. Vor Ort kann man aber beobachten, dass sich der Wald schnell wieder regeneriert. Der freigewordene Platz wird häufig von Laubbäumen eingenommen. Am schnellsten scheint sich die Natur dort zu erholen, wo der Mensch überhaupt nicht eingreift.

Nun jedoch drohen dem Wald wieder schwerwiegende Eingriffe. Ein gut gemeinter Umbau mit fremden Arten, die klimaresistenter sein sollen, könnte sich als folgenschwerer Fehler erweisen. Denn es ist damit zu rechnen, dass diese Bäume mit den hiesigen Mikroorganismen, Pilzen, sowie der Flora und Fauna nicht zurechtkommen und schließlich absterben werden. Sie passen nicht in das vorhandene Ökonetzwerk, in dem mehrere Arten auf unterschiedlichen Ebenen miteinander interagieren, hinein. In der Kritik steht zudem das Windrad. Immer mehr davon werden in den Wäldern aufgestellt, was zu einer Beeinträchtigung der dortigen Lebenswelten führt.

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