Unternehmer schüttelten fassungslos den Kopf, als der Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz in der am 6. September 2022 ausgestrahlten Sendung von Sandra Maischberger seine Gedanken zu einer möglicherweise bevorstehenden Insolvenzwelle äußerte. Hofft er etwa darauf, dass etliche Bäcker ihr Geschäft freiwillig aufgeben? Dann kalkuliert er für die Zukunft womöglich mit deutlich weniger Anbietern. Eine frühere Randbemerkung könnte bei der Einordnung in ein größeres Ganzes helfen.
Im Januar 2020 offerierte Robert Habeck beim „World Economic Forum“ einer Journalistin seine Vorstellungen, was die „Umkehr“ im System anbetrifft. Mit leichten Änderungen in der Wirtschaft sei sie nicht zu schaffen, meinte er. Man müsse aus dem System heraus neue Wege beschreiten.
Der CO₂-Ausstoß pro Bundesbürger und Jahr soll bekanntermaßen von elf auf eine Tonne gesenkt werden. Dann, so heißt es, sei Deutschland klimaneutral. Vielleicht will der Bundesminister einfach noch nicht aussprechen, was das konkret für die Wirtschaft bedeutet — aus Angst vor unangenehmen Reaktionen.
Ulrike Herrmann, Journalistin bei der TAZ und Mitglied der Partei „Bündnis ’90/Die Grünen“, sagt es hingegen frei heraus: Klimaschutz sei nur möglich, wenn die Wirtschaft schrumpfe — um 50 %. Das ist zwar nur ihre persönliche Schlussfolgerung, doch mit dieser dürfte sie in Kreisen der Klimaschützer nicht allein sein. In der Sendung „Markus Lanz“, Ausgabe vom 8. September 2022, sprach sie über ihr neues Buch „Das Ende des Kapitalismus“ und verriet, was die Schrumpfung der Wirtschaft aus ihrer Sicht konkret bedeutet.
Die Zeitung, für die sie arbeitet, veröffentlichte zum Globalen Klimastreik am 23. September 2022 eine Sonderausgabe, in der unter anderem der Frage nachgegangen wird, was jeder einzelne für den Klimaschutz tun kann: Ökostrom buchen, das Haus dämmen, fossile Heizungen abschaffen, keine oder weniger tierische Produkte konsumieren, keine Flugreisen, weniger Autokilometer. Aber auch dann wäre das Ziel noch nicht erreicht. Der CO₂-Ausstoß pro Bundesbürger und Jahr läge bei fünf Tonnen, müsste also nochmals um ein mehrfaches reduziert werden! Das allerdings dürfte umso schwieriger werden, je näher das Ziel scheint.
Aber es soll nicht unmöglich sein. Ulrike Herrmann nennt in ihrem Buch Länder, die bereits heute klimaneutral sind. Dazu gehören Pakistan, Angola, Nordkorea, Uganda und Somalia. Sie schreibt auch, wozu die Ökoenergie nicht reichen würde: für private Autos, Flugzeuge und den bisherigen Fleischkonsum. Denn damit die Ökoenergie reiche, müsse der Endenergieverbrauch um 30 % bis 50 % reduziert werden. Dafür sei es auch notwendig, Wohnflächen und Lebensmittel zu rationieren. Nur dann würden sie in der geschrumpften Wirtschaft für alle reichen. Also müsse der Staat festlegen, was noch hergestellt werden darf, bevor er die knappen Güter verteilt. Banken könnten mit Krediten kein Geld mehr verdienen, weil Wachstum hierfür die Voraussetzung wäre. Auch Lebensversicherungen hätten keine Zukunft, da die gezahlten Prämien letztendlich auch auf Wachstum basierten. Die beschriebenen Rationierungen wären möglich mit der Festlegung eines CO₂-Budgets, welches auf jeden einzelnen Bürger umzulegen sei.
Um einen gewissen Lebensstandard zu ermöglichen, der höher ist als in Pakistan, Angola oder Nordkorea, wären neue Technologien notwendig. Doch wer soll diese finanzieren, wenn die Energiepreise steigen, die Wirtschaftskraft sinkt, und künftig immer mehr Arbeitsplätze entfallen? Im ersten Kapitel ihres Buches beschreibt Herrmann selbst, wie Menschen allmählich durch Maschinen ersetzt werden. Je größer der Fortschritt, desto mehr Maschinen arbeiten anstelle von Menschen. Was geschieht dann mit jenen, die im KI-Zeitalter nicht mehr benötigt werden? In der „statischen Zukunft“ ohne Wachstum arbeiten diese in Wäldern und auf Feldern, ist Herrmann überzeugt — um die Folgen des Klimawandels zu lindern.
Etwas entscheidendes hat die Autorin allerdings übersehen: Im ersten Kapitel beschreibt sie ausführlich, wie die industrielle Revolution im 18. Jahrhundert ihren Anfang nahm: Es waren oftmals zunächst unbedeutende Tüftler, Handwerker und Maschinenbauer, die mit ihren Erfindungen die Welt veränderten. Nun aber sollen die Strukturen von oben her neu gerichtet werden — über Denkfabriken, die ein neues Wirtschafts- und Gesellschaftssystem entworfen haben, und Multimillionäre, die die hierfür nötigen Erfindungen ersinnen und dann über Stiftungen Einfluss auf die Politik nehmen. Damit hat die sogenannte vierte industrielle Revolution, die den Wechsel in ein neues Zeitalter ermöglichen soll, einen völlig untypischen Ausgangspunkt.
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