TAG DES OFFENEN DENKMALS AM 11. SEPTEMBER 2022

Einmal im Jahr kann Geras Baukultur auf besondere Weise erlebt werden. Zum bundesweiten Tag des offenen Denkmals wird im Rahmen von Führungen und Rundgängen in vorwiegend nicht öffentlich zugänglichen Baudenkmälern die Vielfältigkeit der Geraer Denkmallandschaft greifbar. Eigentümer, Denkmalpfleger und Architekten, die sich aktiv für den Erhalt denkmalgeschützter Bauten engagieren, stellen Gebäude, ihre Baugeschichte und aktuelle Projekte vor.

Anlässlich des 30. Jubiläums des Thüringer Denkmalschutzgesetzes hat die untere Denkmalschutzbehörde Geras ein interessantes und anspruchsvolles Programm für den diesjährigen Aktionstag entwickelt. Unter dem Motto „KulturSpur. Ein Fall für den Denkmalschutz“ werden im gesamten Stadtgebiet zwischen 11 und 17 Uhr hochkarätige Kulturdenkmale geöffnet, die Interessierten einen Eindruck von der reichen Bau- und Architekturgeschichte Geras aus rund acht Jahrhunderten vermitteln. Gleichzeitig lädt das Motto dazu ein, sich auf Spurensuche zu begeben: Welche Geschichten erzählen die Denkmäler? Welche Spuren hat menschliches Handeln über die Jahrhunderte hinweg hinterlassen?

Architektonische Kulturspuren ziehen sich durch Gera. Dazu gehören etwa die Industriellenvillen des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts. Ein Musterbeispiel für die Villenkultur in der Stadt ist die Villa Hirsch, in der 11 Uhr der Aktionstag eröffnet wird. Sie entstand zwischen 1894 und 1902 für die Familie von Georg Hirsch. Ihre aufwendigen Tür- und Wandverkleidungen mit goldenen Rokoko-Stuckformen, Einbauschränke mit Safes sowie Lampen und Wandmalereien sind bis heute erhalten. Zu besichtigen ist auch die Villa Voß, die bereits 1873 nach Plänen des Architekten Ferdinand Luthmer für den Bauunternehmer und Rittergutsbesitzer Georg Voß errichtet wurde und zu den frühesten Zeugnissen großbürgerlich geprägter Bauten in Gera gehört. Bautyp und Architektur gehen auf die italienischen Renaissance-Palazzi zurück. Dabei waren sowohl Grundriss als auch Gestaltungskonzept der Villa beispielgebend für den gründerzeitlichen Villenbau in Gera. Am Aktionstag stehen den Besucherinnen und Besuchern die opulente zweigeschossige Halle mit Atrium und im Untergeschoss die Gewölberäume des ehemaligen Weinkellers offen. Fabrikant Hermann Günther ließ sich 1894 ein villenartiges Landhaus als Jagdschloss und Sommersitz in Zeulsdorf errichten. Das „Landhaus Günther“ wurde nach 1945 unter anderem als erste Landesjugendschule der FDJ Thüringen und Jugendherberge genutzt. Im Jahr 1997 fanden erste Instandsetzungen statt. Stuckdecken, Stuckverzierungen über den Treppenhausfenstern sowie die reich geschnitzte Treppenanlage und Innentüren sind erhalten geblieben. Die große Anlage wurde parkähnlich gestaltet. Heute wird das Landhaus für mehrere medizinische Therapien genutzt. Außerdem sind der Garten und das Café des Hauses Schulenburg geöffnet. Der denkmalgeschützte Gebäudekomplex wurde von 1913 bis 1915 als Wohnhaus im Auftrag des Textilfabrikanten Paul Schulenburg errichtet und gehört zu den wichtigsten als Gesamtkunstwerk konzipierten und erhaltenen Bauwerken des Architekten, Gestalters und Theoretikers Henry van de Velde. Der von der Malerei kommende Belgier gilt als Wegbereiter des Bauhauses. Das Hauptgebäude beherbergt ein Privatmuseum mit Möbeln, Textilien, Entwürfen und Publikationen des Künstlers. Die Besichtigung des Gebäudes und der Ausstellungen ist auch am Aktionstag gebührenpflichtig.

Auf dem Osterstein kann der Bergfried erklommen werden. Die Anstrengung lohnt sich, denn der Aussichtspunkt inmitten des Stadtwaldes bietet einen weiten Blick über Gera. Der Turm gehörte ursprünglich zu einer mittelalterlichen Burganlage der Vögte von Weida und war Bestandteil des späteren Residenzschlosses des Fürstenhauses Reuß jüngerer Linie.

Im Stadtteil Untermhaus steht am Gries 5 ein besonderes Fachwerkhaus, das vermutlich um 1606 erbaut wurde und aufgrund seines historischen Treppenturmes als kulturelle Kostbarkeit gilt. Es ist das älteste bislang nachweisbare Haus in Alt-Untermhaus und gehört zu den letzten Objekten des ehemaligen slawischen Rundlings, der ursprünglichen Bebauung der Gemeinde Gries. Darüber hinaus ist es eines der wenigen, wenn auch nur teilweise erhaltenen Umgebindehäuser der Stadt, das Blockbau-, Fachwerk- und Massivbauweise miteinander verbindet. Heute steht es Touristen und Gästen als Ferienhaus zur Verfügung, durch das der Eigentümer am Aktionstag persönlich führt.

Die „Große Kirchstraße“ in Geras Altstadt galt zusammen mit der „Kleinen Kirchstraße“ bis zum 19. Jahrhundert als eine der Hauptgeschäftsstraßen. Durch die Nähe zum Markt entstanden hier nach dem Stadtbrand 1780 die Wohn- und Geschäftshäuser der wohlhabenden Handels- und Kaufmannsfamilien. Das Gebäude in der Großen Kirchstraße 4 gehört zu den noch weitgehend unverändert erhaltenen Barockbauten der Stadt und kann besichtigt werden.

Zu besichtigen ist auch St. Petri, eine der ältesten Kirchen Geras, die im späten 12. Jahrhundert entstand. Sie befindet sich in Dorna. Umfangreiche Bautätigkeiten fanden in den Jahren 1456 und 1500 statt. Um 1700 erhöhte man den Turm und setzte ihm eine barocke Haube auf. Im Turmerdgeschoss erfolgte 1786 die Einfügung einer Sakristei mit rippenlosen Kreuzgratgewölbe. 1889 wurden die Emporen eingebaut und umfassende Instandsetzungsarbeiten im zeittypischen historischen Baustil durchgeführt. Die umfangreichen Sanierungsarbeiten der letzten Jahre sind mittlerweile abgeschlossen. Am Aktionstag finden halbstündlich Führungen durch das Gebäude statt.

Die Dorfkirche Söllmnitz entstand in der Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert mit Elementen des spätgotischen Baustils. Bauliche Veränderungen erfolgten zwischen dem 17. und 19. Jahrhundert. Derzeit wird das Kircheninnere saniert. Ohne Putz an den Wänden bietet sich ein besonderer Einblick in den Bestand des Natursteinmauerwerks. Ein kleines Kulturprogramm beginnt 15 Uhr mit einem Chorkonzert der Chorvereinigung Cantabile e. V. Im Anschluss um 16 Uhr wird eine Führung zur Kirchengeschichte und zur Sanierung angeboten.

Wohnungsbau und Wohnkultur in Gera

Die Architektur der „Ostmoderne“ lässt sich in Gera-Bieblach erleben. Die Grundsteinlegung der Siedlung „Bieblacher Hang“ des am nordwestlichen Stadtrand gelegenen Stadtteils erfolgte 1957. Das Wohnquartier für 20’000 bis 25’000 Bewohner entstand im Zuge des Aufbaus des regionalen Uranabbaus und der Schwermaschinenindustrie. Als Denkmalensemble ist es insgesamt nahezu unverändert in seiner ursprünglichen Form erhalten und beispielhaft für den Wohnungsbau der 1950er und 1960er Jahre. Um 14 Uhr beginnt an der Poliklinik die Führung von Sabine Schellenberg, Leiterin der unteren Denkmalschutzbehörde, durch das Denkmalensemble Bieblacher Hang. Am Glück-Auf-Weg 2-8 informiert die GWB Elstertal Geraer Wohnungsbaugesellschaft mbH zudem über die sanierten Wohngebäude und den Denkmalschutzpreis des Landes Thüringen.

Ebenfalls zu besichtigen sind die Wohnungen in der Anlage „An der Sommerbadstraße“ 22-36. Die Sanierung des Gebäudekomplexes von 1927 ist in Teilen abgeschlossen. Eine hohe Wohnqualität konnte nicht zuletzt durch das neu entstandene Wohnumfeld erreicht werden.

Eindrucksvoll ist auch das Wohnensemble in einem kleinen Bauerngehöft in Röpsen 42, ursprünglich ein dringender Sanierungsfall, der über viele Jahre entwickelt wurde. Die Eigentümerin hat selbst saniert und gibt Einblicke in ihren privaten Wohnraum, eine ehemals große Scheune.

Zum Gedenken im öffentlichen Raum organisiert die Gedenkstätte Amthordurchgang eine besondere Aktion am Tag des offenen Denkmals. Auf dem Johannisplatz werden im Rahmen eines Kunstprojektes die Namen der vor achtzig Jahren deportierten Juden aus Gera auf die Fußbodenplatten projiziert.

Bereits in der Woche vom 5. bis 9. September 2022 konnten sich Interessierte an einem Informationsstand in der Sorge 8 rund um das Thema Denkmalschutz belesen. Die Mitarbeiter der Geraer Denkmalschutzbehörde geben Auskunft zu verschiedenen Projekten. Erhältlich sind zudem Programme, Publikationen, Informationsmaterial der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, des Thüringischen Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie sowie dem Heimatbund Thüringen.

Hintergrund

Der Tag des offenen Denkmals findet seit 1993 jährlich im September statt und wird von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz koordiniert. Er ist der deutsche Beitrag zu den „European Heritage Days“, einer Initiative des Europarats. An diesem Aktionstag können auch Kulturdenkmale, die üblicherweise nicht für die Öffentlichkeit zugänglich sind, besucht werden. Damit soll auf die reiche Denkmallandschaft Deutschlands und die wertvolle Arbeit des Denkmalschutzes aufmerksam gemacht werden. In diesem Sinne öffnen auch in Gera jedes Jahr im September zahlreiche Kulturschätze ihre Pforten.

Weitere Informationen und das Programmblatt zum Tag des offenen Denkmals 2022 sind zu finden unter den folgenden Adressen:

https://www.gera.de/Denkmaltag

https://www.tag-des-offenen-denkmals.de/

QUELLE: STADTVERWALTUNG

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.


*