Welche Ziele verfolgt der russische Präsident? Nach Einschätzung von Sigmar Gabriel, SPD, Bundesminister a. D. und Vorsitzender des Vereines Atlantik-Brücke, ist Putins Handeln im Kontext einer globalen Neuordnung der Kräfte zu sehen. Entsprechend äußerte er sich am 23. Februar 2022 um 7.25 Uhr im Deutschlandfunk:
Die ganze Welt wird in den nächsten zehn Jahren neu geordnet. Die alten internationalen Regeln, die nach dem Zweiten Weltkrieg geschaffen wurden — da gab es China noch als Entwicklungsland — die sind sozusagen weg, und die Welt ringt um die Frage, wie soll eigentlich diese neue Weltordnung aussehen. Und da will Wladimir Putin ein gewichtiges Wort mitsprechen, insbesondere in Europa. Was er will ist, dass Russland in der ganzen Welt, aber vor allen Dingen in Europa, wieder eine Großmachtstellung bekommt. Denn die Wahrheit ist: Seit 1989/90 hat Russland jedes Jahr etwas an Einfluss in Europa verloren. Es ist eigentlich auf den Stand eines Energielieferanten gefallen. Es ist politisch nicht attraktiv für Europa; es ist wirtschaftlich nicht attraktiv. Und dann hat er den einzigen Hebel genutzt, der ihn attraktiv macht, und das ist Militär. Ihm geht’s nicht um Landgewinn in der Ukraine. Diese ganze Propaganda-Maschine um den Schutz seiner Landsleute in der Ostukraine dient doch nur dazu, den Krieg gegen die Ukraine in seinem eigenen Volk populärer zu machen. Denn da ist das höchst unpopulär.
Sigmar Gabriel ist seit dem 26. Juni 2019 Vorsitzender des Vereines Atlantik-Brücke. Dieser Verein ist Gründungsmitglied des New-Traditions-Network, einem Netzwerkzusammenschluss von 60 in Deutschland ansässigen pro-amerikanischen Denkfabriken, Stiftungen und Regierungsorganisationen, der von der US-Botschaft Berlin koordiniert wird.
Einige Beobachter gehen davon aus, dass die globale Neuordnung von der Europäischen Union verlangt, Vorreiter beim Aufbau eines neuen Systems zu sein, mit geänderten Machtfaktoren. Eine Schlüsselfunktion hätten die Bereiche Energie und Klima, sodass jede sich bietende Gelegenheit genutzt werde, entsprechende Reduktionsprogramme umzusetzen. Die Verteuerung von Energie sei einkalkuliert, und die Auskopplung Russlands habe eine große Bedeutung. Verdeutlicht werden könne das mit einer Frage: Wären die hochgesteckten Klimaziele zu erreichen, wenn Russland per Langzeitvertrag billiges Gas liefert, sodass Industrie und Verbraucher so weitermachen können, wie bisher? Die neuen Machtstrukturen würden darauf bauen, dass Geld vorrangig mit Informationen und Technologie verdient wird, anstatt mit Gas, Öl und Kohle. Eine solche Ordnung würde Russland langfristig ins Abseits befördern.
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