EIN BLICK AUF DEN BEREICH WOHNEN—VERKEHR—MOBILITÄT

Nichts ist beständiger als der Wandel. Das gilt auch für den Bereich der Stadtplanung, deren Konzepte keinen End- und Dauerzustand darstellen, kein „Idealbild“ einer ewigen Stadt, sondern den permanenten Wandel von Planungszielen über die Jahrzehnte, aber auch im laufenden Projekt zur Grundlage haben. Bei den Themen Mobilität, Verkehr und Wohnen wurden 2021 wichtige Konzepte entwickelt bzw. vorbereitet, mit dem Ziel die Lebensqualität in Gera zu erhöhen und die Zukunftsfähigkeit der Stadt zu sichern.

Vorbereitend zum neuen Flächennutzungsplan wurde 2021 die Entwicklungskonzeption Wohnen von 2002 (EKW 2020) neu bearbeitet und im Dezember 2021 vom Stadtrat beschlossen. In verschiedenen Arbeitszyklen war die EKW 2035 im Vorfeld mit der Wohnungswirtschaft abgestimmt worden. Sie bildet die Grundlage für die weitere Strategie zur räumlichen Siedlungsentwicklung der Stadt Gera. „Die dem Konzept vorangestellten Analysen prognostizieren für das Stadtgebiet in den nächsten 15 Jahren die Zunahme des Leerstandes auf etwa 10’500 Wohnungen, was bei ausbleibender Gegensteuerung zu Wertverlusten der Immobilien, Mietausfällen, einer Reduktion der Instandsetzungsmaßnahmen und infolgedessen zur erhöhten Wohnunzufriedenheit führen könnte. Dabei ist eine räumliche Konzentration des Leerstandes in den beiden Großsiedlungen Lusan und Bieblach nicht mehr in dem Maße vorhanden. Daher wollen wir mit Gruppen von Einzeleigentümern projektbezogene Lösungswege erarbeiten, die zu langfristig stabile Wohnquartieren führen“, fasst Michael Sonntag die Kernaussagen der EKW zusammen. Konkret empfohlen wird für Lusan den Bebauungsplan „Wohnen am Brütegrünzug“ weiter umzusetzen und den mehrgeschossigen Wohnungsbau durch den Neubau von Einfamilienhäusern zu ersetzen. Gleichzeitig wird jedoch nicht davon ausgegangen, dass Rückbauflächen im Stadtgebiet uneingeschränkt mit Einfamilienhäusern bebaut werden können. Vielmehr decken die bereits bestehenden oder noch im Verfahren befindlichen Bebauungspläne und noch nicht genutzten Baulücken den Bedarf bis 2035 ab. Angesichts begrenzter finanzieller Mittel und personeller Kapazitäten priorisiert die EKW 2035 folgende räumliche Investitions- und Handlungsprioritäten mit dem Ziel, den Wohnungsmarkt insgesamt und innerhalb der Stadtgebiete zu stabilisieren:

  • Erarbeitung eines Gesamtkonzeptes für die Sanierungsgebiete zur Aufwertung des Innenstadtkerns unter besonderer Berücksichtigung der Ziele des ISEK, der EKW, des Einzelhandelskonzeptes und der denkmalschutzrechtlichen
    Vorgaben
  • Evaluierung der Stadtumbaugebiete und der Gebiete der Sozialen Stadt in Bieblach, Lusan und der nördlichen Innenstadt in Abstimmung mit den Eigentümern und Vorort-Akteuren

Im Jahr 2022 sollen in einem moderierten Prozess gemeinsam mit den zuständigen Fachausschüssen des Stadtrats die Schwerpunkte der weiteren Wohnbauflächenstrategie erörtert werden. Die Ergebnisse aus diesen Verhandlungen werden in die Neubearbeitung des Flächennutzungsplanes einfließen.

Attraktiver und familienfreundlicher Wohnraum in unmittelbarer Stadtnähe in Vorbereitung 2021 wurde eine Reihe von Bebauungsplänen vorbereitet und genehmigt, die mit dem Ziel verbunden sind, neue Wohnsiedlungen und praktische Einkaufsmöglichkeiten für die Bürgerinnen und Bürger der Stadt zu schaffen, darunter die vorhabenbezogenen Bebauungspläne für einen Lebensmittelmarkt in Zwötzen, ein Einkaufszentrum in der Zeulsdorfer Straße sowie ein neues Einrichtungshaus unmittelbar an der Anbindung zur A4 in der Siemensstraße. In Kraft getreten ist außerdem die Ergänzungssatzung „Söllmnitz — westlicher Ortsrand“ zur Schaffung neuer Bauplätze für Eigenheime auf einer Fläche von 2600 Quadratmetern am westlichen Rand des Ortsteils Cretzschwitz/Söllmnitz. Mit dem Bebauungsplan „Wohnpark Mozartstraße“ ist ein Projekt angesprochen, das sich derzeit noch in der Entwicklung befindet. Bei der Fläche des Plangebietes mit einer Gesamtgröße von rund 11’000 Quadratmetern handelt es sich um die Brache der ehemaligen Produktionsanlage des VEB Kombinates Textima. Mit der Aufstellung des Bebauungsplanes soll ein modernes, in sich geschlossenes Wohnquartier mit hochwertigen Wohnbauflächen in zentrumsnaher Stadtrandlage geschaffen werden. Dabei wird die Straßenführung der Mozartstraße zur Erschließung des Plangebietes in westlicher Richtung versetzt aufgenommen und fortgeführt. Beiderseits dieser Straße schließt sich die Bebauung an. Es sollen fünf Einzel- oder Doppelhäuser im Westen und Südosten sowie ein größerer Gebäudekomplex im Norden des Plangebietes entstehen. Weitere Verfahren, die 2022 abgeschlossen werden, betreffen die Bebauungspläne „Wohngebiet Baumgarten Leumnitz“, „Wald bei Kleinaga“, „Wohnen an den Elstergärten, Teilbereich I“ sowie „Wohnen am Kirchsteig“ im Ortsteil Rubitz.

Zum Stand der Verkehrs- und Mobilitätsplanung
Das vorherrschende Thema der Verkehrsplanung war es, gemeinsam mit dem Landkreis Greiz einen neuen Nahverkehrsplan für die Jahre 2022 bis 2026 zu erstellen. Dies geschah in multilateraler Zusammenarbeit mit vielen Akteuren, etwa den betreffenden Verkehrsunternehmen. Der Nahverkehrsplan trifft Aussagen zur Entwicklung, Organisation und Finanzierung des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) von Stadt und Landkreis mit dem allgemeinen Ziel, eine stadt- und umweltverträglichen sowie sozialgerechten und nachhaltigen Verkehrspolitik zu sichern. Dabei geht es nicht um einzelne Linien und Fahrten, sondern um Verkehrsnetze im Sinne einer integrierten Verkehrsplanung. Vor dem Hintergrund der begrenzten finanziellen Ressourcen der Stadt Gera galt für die Erstellung darüber hinaus das Leitbild, unter weitgehender Wahrung der Verkehrsqualität die Wirtschaftlichkeit zu verbessern und die Finanzierbarkeit zu sichern.

Der neue Plan umfasst verschiedenen Aspekte des ÖPNV-Angebots, etwa die Entwicklung der Betriebsleistung und Verkehrsnachfrage, Umsteigehäufigkeiten, Verbindungsqualitäten und Erschließungsdefizite sowie das Tarifsystem. Besondere Aufmerksamkeit erhält die barrierefreie Gestaltung des ÖPNV. So wurden im Plan Maßnahmenprogramme zur Herstellung der Barrierefreiheit erarbeitet. Dies betrifft einerseits die Haltestelleninfrastruktur. Demnach soll zukünftig vor allem in den barrierefreien Ausbau von Bushaltestellen investiert werden. Dazu gehört etwa der Einsatz von Blindenleitstreifen sowie von sogenannten Kasseler Bords, die es dem Bus ermöglichen, sehr dicht an die Haltestelle heranzufahren. Damit soll der Ein- und Ausstieg für mobilitätseingeschränkte Menschen im engeren und weiteren Sinne erleichtert werden. Außerdem begünstigt der helle Beton des Bords die optische Erkennbarkeit für sehbehinderte Menschen. Darüber hinaus wurde festgelegt, dass alle neu anzuschaffenden Fahrzeuge barrierefrei sein müssen.

Weiterhin greift der Nahverkehrsplan gesetzliche Neuregelungen auf, etwa im Personenbeförderungsgesetzes (PBefG). Seit 2021 definiert und reguliert das Gesetz Formen des On-Demand-Mobilitätsdienstes als Ergänzung zum regulären Linienverkehr. So wurde die Kategorie „Gelegenheitsverkehr“ um die Variante des sogenannten „gebündelten Bedarfsverkehrs“ erweitert. Diese Verkehrsform ist vergleichbar mit einem Sammeltaxi und soll dazu dienen, bisher schlecht angebundene Außenbezirke mit der Innenstadt zu verbinden. Im neuen Nahverkehrsplan wurden in diesem Zusammenhang Festlegungen zur Integration dieses Dienstes in das Gefüge des ÖPNV-Systems getroffen. Ferner berücksichtigt der Plan beim Thema der Anschaffung sauberer Fahrzeuge die neue EU-Richtlinie „Clean-Vehicle-Directive“, die umweltpolitische Schwerpunkte zur Unterstützung der Energiewende setzt. Von den Mitarbeitern des Stadtplanungsamtes wurde 2021 darüber hinaus ein umfassendes Haltestellenkataster entwickelt und erhoben, so dass alle Haltestellen des ÖPNV im Stadtgebiet Gera jetzt auch über das GeoPortal eingesehen werden können. Zudem erfolgte 2021 die Vorbereitung des Integrierten Radverkehrskonzeptes, das die Grundlage für die zukünftige Radverkehrspolitik der Stadt Gera bilden wird. Hier stehen bis zu 75 % Fördermittel in Aussicht. Ziel ist es, eine nachhaltige Mobilität sowie die Steigerung der Attraktivität der Fahrradbenutzung im Stadtgebiet langfristig sicherzustellen.

Innovative Mobilitätskonzepte werden erprobt
Ein wichtiger Hebel zur Stärkung der Zukunftsfähigkeit Geras ist die sinnvolle Gestaltung des Stadtverkehrs. Dazu gehört auch die Entscheidung, wie Flächen verteilt werden und sich Menschen fortbewegen können. In Zukunft sollen dem motorisierten Individualverkehr ein breiteres Spektrum an Alternativen gegenübergestellt werden, um Straßenlärm, Staus und Luftverschmutzung im Stadtgebiet langfristig zu reduzieren. Ziel ist es, Mobilität effektiver zu gestalten, indem sie auf umweltverträgliche Verkehrsmittel verlagert wird und die Dienste noch besser vernetzt werden. In diesem Zusammenhang ist das städtische Projekt „Emma in the City“ zu sehen. Mit dem testweisen Einsatz des automatisierten E-Kleinbusses im zentralen Innenstadtbereich knüpfte die Stadt in Kooperation mit der GVB Verkehrsund Betriebsgesellschaft Gera mbH und dem Dienstleister Nuts One an das Vorgängerprojekt im Stadtteil Lusan an. Ziel war es, mit der neuen Route im Zentrum das automatisierte Fahren für möglichst viele Menschen in Gera erlebbar zu machen und wichtige Erkenntnisse für den Einsatz solcher Fahrzeuge im öffentlichen Personennahverkehr für zentral gelegene Einsatzstrecken mit umfangreichem Fußgängerverkehr zu gewinnen. Nach 64 Einsatztagen und 640 gefahrenen Kilometern endete das Projekt mit dem Abschluss des Fahrgastbetriebes am 9. November planmäßig. 2021 wurden darüber hinaus wichtige konzeptionelle Vorbereitungen für die Errichtung sogenannter Mobilitätsinseln zur sinnvollen Verknüpfung von Mobilitätsangeboten geschaffen, die 2022 an der Haltestelle Laune im Stadtteil Lusan sowie im Bereich innerstädtischer Wohnquartiere entstehen sollen. Eine Mobilitätsinsel, auch Mobilitätsstation, ist ein zentraler Platz, an dem die Betreiber von Mobilitätsangeboten oder Sharing-Modellen ihre Fahrzeuge bzw. Dienstleistungen anbieten. Dazu gehören beispielsweise die E-Scooter, die in Gera seit Oktober 2021 für die öffentliche Nutzung zur Verfügung gestellt werden. Diese erschwingliche und umweltfreundliche Alternative zum Auto ermöglicht die Überbrückung der ersten und letzten Meile im Zusammenspiel mit dem öffentlichen Nahverkehr. Die Roller schaffen außerdem einen Anreiz für kurze Wege auf das private Auto zu verzichten.

Mit Projekten wie „Emma in the City“ und den Mobilitätsinseln beweist Gera seine fortwährende Experimentierfreudigkeit. Sie stehen im Kontext der noch ausstehenden Bewerbung der Stadt als Erprobungsstandort des „Deutschen Zentrums Mobilität der Zukunft“. „Wir wollen im Bereich vernetzter und nachhaltiger Mobilität eine Vorreiterrolle einnehmen und uns dauerhaft als Experimentier- und Lösungsraum etablieren, in dem wie in einem Labor neue Technologien, Infrastrukturen und Mobilitätsangebote bis zur Einsatzfähigkeit unter echten Bedingungen getestet werden“, fasst Dr. Thomas Prill, Leiter des Stadtplanungsamtes, die mit der Bewerbung verbundenen Ziele der Stadt zusammen.

QUELLE: STADTVERWALTUNG

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