Wer die heutigen Zeitungen aufmerksam liest, kann vielleicht schon erahnen, was morgen Realität sein könnte.
Die „Süddeutsche Zeitung am Wochenende“ verabschiedet in ihrer Druckausgabe vom 15. Mai 2021 das Wohnzimmer. Der Wunsch nach virensicheren Arbeitsplätzen und Heimarbeit nimmt zu, doch zu Hause kann es zu Turbulenzen zwischen der Privatheit und der öffentlichen Arbeitssphäre kommen. Man könnte sich aber zurückbesinnen an die Zeit vor dem 18. Jahrhundert, „denn es rächt sich, dass die Moderne das Wohnen und Arbeiten getrennt hat.“ Früher wurden nämlich die Arbeits- und Lebensräume kaum voneinander unterschieden. Es gab kaum Privatheit, und nach Darstellung der Süddeutschen Zeitung sind derart „ganzheitlich verstandene, generationenübergreifende und multifunktionale Räume“ wieder gefragt. Das Wohnzimmer „hat sich als Sackgasse des Wohnevolution erwiesen“. Es könnte also wieder alles so wie früher werden, denn „man muss das Leben nicht neu erfinden.“
Man muss allerdings auf einiges verzichten können, zum Beispiel auch den Urlaub. Das ist der Tenor eines Artikels auf Seite 4. „Im 18. und 19. Jahrhundert gingen überhaupt nur sehr wenige Menschen auf Reisen.“ Und heute reisen die Menschen doch nur, „um sich exakt das anzusehen, was sie zuvor im Reiseführer studiert“ oder „sich zusammengeträumt haben“. Doch „die Flucht aus dem Alltag ist mehr denn je zum Scheitern verurteilt“, weil man dem Virus nicht entfliehen kann. „Die Seuche folgt dem Reisenden“ überall hin. „Trotzdem lassen die Menschen sich von den Katalogen und sozialen Medien verführen“.
Um nicht auf die falsche Fährten zu geraten, sollte man daher auch die Applikation „Telegram“ löschen. Denn der Dienst, so heißt es auf Seite 23, „ist ein gigantisches Megafon für Agitatoren im Netz und eine Bedrohung für die digitale Öffentlichkeit“. Stattdessen braucht es die „Impfung für den Kopf“, so wie auf den Seiten 36 und 37 beschrieben. Damit sollte dann jeder imstande sein, „Wissenschaftsleugner besser enttarnen zu können“. Das Ziel dieser Impfung ist es, die „Bildung kognitiver Antikörper“ zu stimulieren.
Diese können überdies durch eine gesunde, neuartige Ernährung angeregt werden. Auf Seite 24 wird festgestellt, dass hier der Trend hin zu Ersatzprodukten geht: „Weil das gute nicht gesund ist, hat der Mensch Ersatzstoffe erfunden, die genauso schmecken sollen wie die Ausgangssubstanz, aber gesund sind.“ So wird es fleischloses Fleisch, bierloses Bier, kaffeelosen Kaffee, eierlose Eier und milchfreie Milch geben. Ersatzprodukte kannte man immerhin schon in früheren Notzeiten, etwa im Zweiten Weltkrieg. Künftige Generationen werden gar nicht mehr wissen, was echtes Fleisch, echtes Bier und echter Kaffee waren.
Vielleicht werden sie das aber auch gar nicht mehr wissen wollen, weil sie im Kampf gegen Viren, Wissenschaftsleugner, den Klimawandel und Ungleichheit vor völlig neuen Herausforderungen stehen werden. Mit Nahrungsersatzprodukten sowie Impfungen für Körper und Geist werden die neuen Generationen sicherlich bald fit für ihre Aufgaben gemacht.
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