War es ein Fehler oder ein kluger Schachzug? Bundeskanzlerin Angela Merkel nahm einen Tag nach der Konferenz mit den Ministerpräsidenten einen kleinen Teil der Beschlüsse wieder zurück. Ein Großteil der Menschen reagiert erleichtert, während alle anderen Maßnahmen erhalten bleiben und der Weg für weitere Verschärfungen geebnet ist.
Kanzleramtsminister Helge Braun meinte nach der jüngsten MPK mit Bundeskanzlerin Angela Merkel zunächst noch, der Oster-Lockdown solle den Sommerurlaub ermöglichen. Als Merkel die Beschlüsse zur sogenannten Osterruhe wieder zurücknahm, wurde ihr Eingeständnis, einen Fehler begangen zu haben, vielfach als Stärke interpretiert. Die Menschen würden doch ihre Einkäufe am Mittwoch erledigen, mit der Folge sehr hoher Kundenströme, hieß es in zahlreichen kritischen Anmerkungen. Zudem sei die Regelung zur „Osterruhe“ nicht rechtssicher gewesen.
Inzwischen ist eine Tendenz zu höheren Zahlen und strengeren Regeln erkennbar. In Nachbarländern wie Frankreich und Polen werden die Beschränkungen wieder erweitert. Eine „Osterruhe“ hätte die Stimmung hierzulande sicherlich kippen lassen, und eine Verlängerung wäre kaum noch durchsetzbar gewesen. Die Rücknahme führt nun dazu, dass die steigenden Zahlen einmal mehr eine besondere Wirkung entfalten — Angst vor Mutationen und Angst vor zu wenig Schutz. Dadurch wächst wieder die Bereitschaft, sich strengeren Regeln zu unterwerfen.
Unter Intensivmedizinern und Politikern mehren sich nun wieder Forderungen nach einem harten Shutdown. Er soll, wie auch allemal zuvor, nur ganz kurz andauern und als Wellenbrecher fungieren. Nach Ansicht von Karl Lauterbach werde in jedem Falle ein strenger Lockdown kommen müssen. Die Frage sei nur, wann, sagte der SPD-Politiker am 25. März 2021 im Nachrichtenprogramm NTV. Mit Impfen und Tests allein komme man gegen die dritte Welle nicht an.
Der CDU-Politiker Norbert Röttgen hält eine Einschränkung der Mobilität für das einzig wirksame Instrument zur Eindämmung der dritten Welle. Entsprechend äußerte er sich am 26. März im ZDF-Morgenmagazin. Mit dem Eingeständnis eines Fehlers, habe man die Möglichkeit, eine Kehrtwende zu vollziehen.
Die Hoffnung, nach rigorosen Beschränkungen wieder zur Normalität zurückkehren zu können, hatte die Menschen in den vergangenen Monaten immer wieder motiviert, sich an alle Vorgaben zu halten. Von einem schwierigen Winter über vier Monate hinweg hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel bereits am 29. Oktober 2020 im ZDF gesprochen. Am 10. März 2021 kündigte sie erneut drei bis vier schwierige Monate an.
Auffällig ist, dass die Zahlen wiedereinmal schon vor den großen Feiertagen steigen, und man könnte behaupten, sie tun es immer dann, wenn die Bürger normalerweise reisen, Geld ausgeben oder einander besuchen würden. Gleichzeitig wird ein kleines Schlupfloch in die frühere Normalität geöffnet, mit der Empfehlung, es nicht zu nutzen — in diesem Falle ist es Mallorca.
Wird man die dann stark ansteigende Sieben-Tage-Inzidenz für die Rechtfertigung der nächsten Grundrechtseinschränkungen benutzen? Das Ganze ist sicherlich eine Verschwörungstheorie. Die Beschlüsse zu den Corona-Maßnahmen waren jedenfalls kein Ablenkungsmanöver von einem gescheiterten Krisenmanagement, wie einige politische Beobachter vermuteten, und die Rücknahme der „Osterruhe“ könnte wohl durchdacht sein. Nach derzeitiger Lage führen die getroffenen Entscheidungen nämlich geradewegs zum Ziel, indem sie einerseits den Weg zurück in die alte Normalität versperren, und zum anderen mit dem Wohlwollen der meisten Bürger den Aufbau einer neuen Kontroll-Infrastruktur ermöglichen.
Regelmäßige Impfungen, Smartphones als Datensammler, die physische Vereinzelung der Menschen, Zugangszertifikate für das gesellschaftliche Leben sollen die Bausteine dafür sein, was man künftig unter Freiheit zu verstehen hat. Noch ist es nicht soweit, aber nach mehreren Lockdowns wird die Mehrheit schließlich nach Dingen verlangen, die früher genau das Gegenteil von Freiheit waren.
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