Von einer Stillegung der Weltwirtschaft mit anschließendem Neustart handelt das Buch „Covid-19: Der große Umbruch“. Die Autoren Klaus Schwab und Thierry Malleret beschreiben in dem Werk ihre Vorstellungen von der Welt nach der Pandemie.
Bereits lange vor Ausrufung der Pandemie ging das Gerücht von einer Stillegung der Weltwirtschaft um — konzertiert vom Weltwirtschaftsforum, dem Weltwährungsfonds und den Vereinten Nationen. Die Schulden der Staaten sollten demnach mit der Einführung neuer, virtueller Währungen entfallen, wenn sie das anschließend eingeführte System akzeptieren.
Tatsächlich ist schon seit vielen Jahren auf einer UN-Seite eine Abfassung mit dem Titel „Definition eines neuen wirtschaftlichen Paradigmas“ (siehe „https://sustainabledevelopment.un.org/index.php?page=view&type=400&nr=617&menu=35“) zu finden. Das Buch „Covid-19: Der große Umbruch“ greift im Grunde diese Gedanken erneut auf und beschreibt, wie sie sich verwirklichen können. Auch hier ist von einem Paradigmenwechsel die Rede.
Wirtschaft und Konsum können nicht mehr nach den bisherigen Regeln weitergeführt werden. Es bedarf eines Umbruchs. Als Auslöser und transformative Kraft werden Kriege und Pandemien miteinander verglichen (Seiten 18, 42). Letztere hätten sich in der Geschichte wegen ihres zerstörerischen Charakters als Triebkraft dauerhafter und radikaler Veränderungen erwiesen (Seite 13), und zwar mit dem Vorteil, dass sie kein Kapital vernichten (Seite 42).
Viele kleine Unternehmen werden die Corona-Maßnahmen nicht überstehen, und ihr Marktanteil fällt dann den ganz großen Konzernen zu (Seiten 11, 183, 228). Den überlebenden Unternehmen soll nach einer Übergangsphase die Verantwortung für die Menschheit übertragen werden — insbesondere für die Gesundheit, bezogen auf Infektionen. Wenn Unternehmen das Risiko einer Strafe oder Schließung im Falle einer Infektion verringern möchten, werden sie nicht umhinkommen, Distanzmaßnahmen einzuführen. Diese erzwingen gleichzeitig den Einsatz neuer Technologien, wenn man trotzdem miteinander arbeiten und interagieren möchte. Mit einer Infektion wird sich in Zukunft auch die Frage der Haftung stellen, sobald einzelne Infektionsketten mit Hilfe neuer Technologien nachvollziehbar sind, und dann werden beispielsweise Arbeitgeber ihre Beschäftigten in Sachen Distanzwahrung und Temperatur überwachen wollen (Seiten 194, 195, 197, 220). Die Distanzgesellschaft ist somit Voraussetzung für die weitere Technisierung der Menschheit.
Beim Lesen erweckt das Buch den Eindruck, als werde den Menschen ein Weg gezeigt, von dem sie selbst glauben sollen, es sei der einzig gangbare, um überleben zu können. Die Autoren scheinen in der Pandemie ein willkommenes Ereignis zu sehen, das es ermöglicht, viele Dinge innerhalb kurzer Zeit umzusetzen (Seite 292). Die neue technische Revolution baut nämlich auf Unsicherheit, Misstrauen und die Angst, sich in der Außenwelt überall und bei jedem anstecken zu können (Seite 254). Krankheiten töten Menschen ebenso wie fehlende Lebensgrundlagen, stellt man fest. Daher werde es zu Kosten-Nutzen-Analysen kommen — möglicherweise mit einem grausamen utilitaristischem Kalkül (Seite 263). Entstehen soll eine neue Art Konsument, der aus Gründen des Gesundheitsschutzes und der Bequemlichkeit viele Dinge zu Hause am Bildschirm erledigt (Seiten 181, 211, 234). Ebenso können sich die Autoren eine Begrenzung der Einkaufsmengen vorstellen (Seite 266). Unter normalen Umständen wäre sicherlich kaum jemand willens, den nächsten Schritt der Technisierung zu gehen. Das Buch will seinen Lesern jedoch vermitteln, dass es um die Gesundheit der Menschen und das Klima der Erde geht.
Das eigentliche Ziel der Vierten industriellen Revolution, die mit Covid-19 in Gang gesetzt werden soll, ist die Durchdringung der körperlichen Grenzen und die Aushebelung der natürlichen Biologie, um noch mehr Kontrolle ausüben zu können. Dieses Buch offenbart ebenso wie die anderen aus gleicher Feder, dass die Autoren Anhänger der transhumanistischen Idee sind. Bereits vier Jahre zuvor hatte Klaus Schwab sein Werk „Die Vierte Industrielle Revolution“ veröffentlicht. Im Januar 2019 folgte das Buch „Die Zukunft der Vierten Industriellen Revolution“. Verfechter des Transhumanismus glauben, die Natur sei ein Zufall ohne Ziel, und der Mensch als das am höchsten entwickelte Wesen sei dazu bestimmt, Sinn und Ziel für alles und jeden selbst zu definieren.
Bemerkenswert sind Ausführungen darüber, dass es eine objektive Realität nicht gibt (Seite 139). Die Darstellung der Wirklichkeit hängt von der Position des Betrachters ab (Seite 140), und demzufolge auch die jeweilige Meinung. Unter Berücksichtigung dieser Erkenntnis, könnte sich das Ganze beim Leser auch zu folgendem Bild fügen:
Die jetzige Wirtschaftsepoche nähert sich dem Ende, und mit dem gegenwärtigen System wären in baldiger Zukunft ohnehin keine Steigerungen mehr möglich. Der Machterhalt könnte aber durch eine kontrollierte Stillegung mit anschließendem Aufbau einer neuen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung unter einer ökologischen und gesundheitlichen Maxime gelingen. Die Menschen müssten allerdings dazu gebracht werden, sich einzuschränken und physisch voneinander Abstand zu halten, in dem Glauben, auf diese Weise ihre Gesundheit und das Klima zu schützen. Mit diesen beiden vorgegebenen Zielen soll eine hohe gesellschaftliche Akzeptanz für das neue System erwirkt werden. Es ist gekennzeichnet von einer zunehmenden Automatisierung mit KI und einer höheren Abhängigkeit von technischen Systemen. Somit eröffnen sich neue Geschäftsfelder und mehr Kontrollmöglichkeiten. Gewinne können mit den künftigen Modellen auch ohne ständige Steigerung des Produkteabsatzes generiert werden. Zum Beispiel wird man viele Gegenstände nicht mehr direkt besitzen, sondern anmieten und eine monatliche Nutzungsgebühr entrichten müssen. Was früher im direkten Austausch möglich war, ohne dass jemand etwas daran verdient hat, zum Beispiel die Kommunikation, wird blockiert. Um diese Blockade zu überwinden, muss künftig Technik verwendet werden. Fernziel ist die physische Verschmelzung von Mensch und Technik.
Ob sich die in dem Buch beschriebene Vision durchsetzen kann, ist fraglich. Denn Revolutionen gehen in der Regel von den unteren gesellschaftlichen Ebenen aus, wenn diese durch bestimmte Entwicklungen immer weiter abgedrängt und aus Sicht der oberen zu einem unerwünschten Ballast werden. Die anstehende technische Revolution wird eine solche Nebenwirkung zur Folge haben. Umfassende Systemänderungen, welche von einigen wenigen erdacht und für die große Mehrheit verordnet werden, entwickeln mit der Zeit totalitäre Strukturen und haben selten eine lange Lebensdauer, wenn sie zu weit weg von der bisherigen Lebensrealität liegen.
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