AUCH MIT IMPFSTOFF KEINE RÜCKKEHR ZUR NORMALITÄT

Die Normalität könne erst zurückkehren, wenn mindestens zwei Drittel der Menschen gegen Covid-19 geimpft sind. So oder ähnlich sagen es derzeit viele Politiker und Virologen. Im Moment ist die Impfbereitschaft der Menschen relativ hoch, doch bei einigen lässt das Vertrauen allmählich nach — nicht zuletzt, weil viele Fragen offen bleiben: Wie lange ist man vor einer Erkrankung geschützt? Bleiben die Corona-Regeln und Einschränkungen dauerhaft erhalten, wenn sich herausstellt, dass geimpfte Menschen das Virus trotzdem noch weitergeben können, und darüber hinaus immer mit Mutationen zu rechnen ist? Warum sollte man sich dann überhaupt impfen lassen, wenn man keiner Risikogruppe angehört, die Krankheit in den meisten Fällen keine oder nur milde Symptome hervorruft, aber nach einer Injektion mit viel höherer Wahrscheinlichkeit Zustände wie Kopfschmerzen, Abgeschlagenheit und Fieber auftreten? Zudem es gibt es Unsicherheiten in Bezug auf mögliche Langzeitfolgen.

Gleichzeitig wird hoher moralischer Druck aufgebaut: Wolfram Henn, Mitglied des Ethikrates der Bundesregierung, wandte sich an Impfgegner und forderte in einem von der Bild-Zeitung veröffentlichten Schreiben: „Wer partout das Impfen verweigern will, der sollte, bitteschön, auch ständig ein Dokument bei sich tragen, mit der Aufschrift: Ich will, wenn ich krank werde, mein Intensivbett und mein Beatmungsgerät anderen überlassen.“

Kritiker sind der Ansicht, dass eine Krankenhausbehandlung nicht von der Einstellung einer Person abhängig gemacht werden dürfe, und die Anzahl der freien Intensivbetten nicht über das Ausmaß von Grundrechten entscheiden könne.

Eine Impfpflicht werde es vorerst nicht geben, und die politische Debatte sei derzeit mit Absicht eingefroren, schreibt das Nachrichtenmagazin „Stern“ im Heft Nummer 53 vom 23. Dezember 2020 auf Seite 30. Offenbar sollen zu Beginn der Impfungen keine Ängste geschürt werden. Eine Impfplicht wäre möglich. Privilegien für nicht geimpfte Personen hält man aber für wahrscheinlicher, obgleich derzeit das Argument überwiegt, dass man die Gesellschaft nicht spalten wolle. Doch die Debatte werde mit der steigenden Zahl der Geimpften wieder Fahrt aufnehmen.

Inzwischen ist ein langsamer Wandel im Argumentationsverlauf erkennbar, der offensichtlich dahin führen wird, dass die Einschränkungen weiterhin als notwendig erachtet werden und noch lange bestehen bleiben: Die Virologin Melanie Brinkmann vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung sprach sich für einen Sieben-Tage-Wert von zehn aus. Erst dann seien Lockerungen der Corona-Maßnahmen sinnvoll.

Weil noch immer viele Menschen daran glauben, dass nur eine durchgeimpfte Gesellschaft wieder zum normalen Leben zurückkehren darf, werden sie den moralischen Druck auf Mitmenschen ausüben, die das Serum ablehnen. Das führt unweigerlich zu einer Radikalisierung im kommunikativen Miteinander und einer gesellschaftlichen Spaltung.

Michael Yeadon, der frühere Vizechef des Pharmakonzerns Pfizer, soll allerdings gesagt haben: „Man impft eine Bevölkerung nicht durch, nur weil einer von eine Million eine Infektion nicht überleben könnte.“ Es sei ein Zeichen dafür, dass etwas stinke, wenn offizielle Stellen eine Massenimpfung zur Bedingung für die Rückkehr zum normalen Leben machten.

Tatsächlich liegt der Verdacht nahe, dass es die Rückkehr zu den gewohnten Freiheiten nicht mehr geben wird — auch nicht für Geimpfte, falls sich das Privilegien-Modell durchsetzen sollte. Die Begründungen können sich stets ändern. WHO-Direktor Ryan sprach unlängst in Genf mit Blick auf das Coronavirus SARS-CoV-2 von einer vergleichsweise niedrigen Sterberate und warnte, die Menschheit müsse sich auf etwas vorbereiten, dass vielleicht noch heftiger sei.

Die Veröffentlichungen in den Medien und die Warnungen vor noch schlimmeren Dingen wirken auf manche gar so, als greife man in die Trickkiste der mittelalterlichen Kirche: Erst werden finstere Szenarien gezeichnet, dann wird ein Weg der Errettung präsentiert.

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