Ein westlich der Stadt vorbeifließender natürlicher Seitenarm der Weißen Elster bot günstige Voraussetzungen zur Anlage von Wassermühlen in unmittelbarer Nähe der Stadt. Später verlängerten ihn die Müller durch Schaffung eines künstlichen Kanals vom Kleinen Wehr nahe dem Wasserkraftwerk Zwötzener Straße 2 über die Debschwitzer Dorfflur bis zum Großen Wehr bei Zwötzen, das 1640 und 1693 erbaut wurde. Vor ihrer Begradigung führte die Weiße Elster in einer Schleife unmittelbar am Wasserwerk vorbei und speiste dort den Mühlgraben.
Eine Verlängerung des Mühlgrabens wollten die Müller schon lange. Auf deren inständiges Anhalten und mit der fürstlichen Erlaubnis in der Hand, kam es 1618 zu Kaufverhandlungen. 40 Gulden für den Scheffel Feld und doppelt soviel für den Scheffel Wiese sollten die Debschwitzer Grundstücksbesitzer erhalten. Am 1. November 1620 begann mit der Messung seines Verlaufes der Grabenbau. Erst jetzt konnte genau festgelegt werden, welche Grundstücke betroffen waren. 314 Gulden, acht Groschen und neun Pfennig betrug die Summe für die abgetrennten Flächen, welche von Klotz-, Anger- und Hausmühle bezahlt werden sollte. Ein Münzverfall, der nach der Kaufvereinbarung begann, löste bei den Bauern allerdings Unmut aus. Dieser wurde gesteigert, als die Müller es den Debschwitzer Grundstücksbesitzern verweigerten, die angelegten Dämme und Ufer am neuen Mühlgraben für ihre Gastwirtschaft und Weide zu nutzen. Das fürstliche Amt, an das sie sich in ihrer Not wandten, entschied am 2. November 1621, dass die Müller sich zwar ihres Wassergrabens und seiner Ufer mit Räumen, Gehen und Fahren gebrauchen dürfen, die Bauern aber ungehindert ihrer Gräserei und Viehtrift an den Ufern nachgehen können.
Dadurch erhielt der Mühlgraben ein größeres Gefälle und lieferte mehr Triebwasser für die anliegenden Mühlen. Diese arbeiteten schneller und konnten in kürzerer Zeit mehr Getreide mahlen. Vor Anlage der Cubamühle dürfte er hinter der Kreuz-Apotheke wieder in die Weiße Elster eingemündet sein. Der untere Mühlgraben wurde also gleich dem oberen künstlich angelegt. In einer um 1200 von der Äbtissin Agnes II. zu Quedlinburg wird unter den Gütern, die sie für das Reichsstift wieder zurückgewann, auch eine Mühle genannt. Aufgrund der Lage der dort genannten Güter — ein Allod, Eigengut, vermutlich identisch mit dem im 19. Jahrhundert noch vorhandenen großen Limmerschen Garten, auch Schlicksches Erbgericht genannt, zwischen Rossplatz, Gerbergasse, Gärbergasse und Margaretengasse sowie ein Pastifolium, wahrscheinlich eine Viehweise, der spätere Anger bzw. Rossplatz — könnte mit der Mühle die unweit der alten Burg der Vögte von Weida bzw. Gera gelegene Klotzmühle gemeint sein. Sie lag vor dem Klotztor in der Mühlengasse und hatte 1816 eine Schneide-, Graupen-, Öl-, und Mahlmühle, die mit sechs Gängen versehen war. Im Jahre 1889 brannte sie nieder.
Die Klotzmühle wird zum ersten mal mit dem Datum 7. Juni 1360 erwähnt, als Vogt Heinrich von Gera „ Clotz mul und dy andir mul” verkaufte. Daraus geht hervor, dass es zu dieser Zeit noch eine zweite Mühle gab. Um welche es sich handelte, ist nicht bekannt. Im Jahre 1488 wird die Cubamühle zum ersten mal erwähnt, 1496 die Hausmühle, und im 16. Jahrhundert die Angermühle. Die Walkmühle entstand vermutlich im 15. Jahrhundert. Im Jahre 1479 gab es bereits 43 Tuchmachermeister in Gera.
Die Geraerinnen sponnen früher den Flachs für ihre Leinenwäsche eigenhändig. Den auf den Feldern vor der Stadt angebauten Flachs rösteten sie im Mühlgraben oberhalb der Klotzmühle. Der Flachs wurde auf Wiesen oder fließendem Wasser, die Totte oder Röste, ausgebreitet, damit er durch die Einwirkung der Witterung bzw. des Wassers mürbe wurde. Danach ließ sich der innere, holzige Teil des Flachsstengels von der äußeren, wertvollen Faser durch Brechen trennen. Weil das jedoch den Mühlgraben stark verunreinigte und auch die Fische starben, wurde aufgrund der Beschwerde der Müller das Flachsrösten im Mühlgraben im Jahre 1487 bei zehn Gulden Strafe verboten. Damals wurde auch Holz im Mühlgraben bis zur Klotzmühle geflößt, dort aufgefangen und längs des Grabens aufgestellt und verkauft. Im Jahre 1606 wurde ebenfalls aufgrund eines Gesuchs der Müller das Holzflößen im Mühlgraben für immer verboten.
Alle fünf Mühlen hatten Wasserräder mit unterschlächtigem Antrieb. Das Wasser floss also unter dem Rad hinweg. Nur dessen Schaufeln tauchten in das Wasser und wurden in Fließrichtung gedrückt. Dieser Antrieb ist weniger effektiv als der oberschlächtige Antrieb. Um dem Wasser vor den Mühlrädern eine möglichst große Fließgeschwindigkeit zu geben, lag im Wasser quer vor den Rädern jeder Mühle ein Fachbaum, welcher das Wasser ein wenig anstaute. Zum Schutze der Räder vor Beschädigung befand sich noch vor dem Fachbaum quer im Wasser der Rechen, eine Art Gitter aus hölzernen Pfosten, an dem größeres Treibgut aufgefangen wurde. Vermutlich besaß jede Mühle mehr als ein Wasserrad. Bei der Angermühle lässt die Anzahl der Mahlgänge — fünf waren es im Jahre 1810 — darauf schließen, dass die drei Wasserräder besaß.
Klotz-, Anger-, Haus- und Cubamühle waren Getreidemühlen mit einer zusätzlichen Ölmühle. Mehrere von Räderwerk und Nockenwelle bewegten Stampfer zerdrückten in flachen Gruben Rüben- oder Hanfsamen und pressten Öl daraus. Bis auf die Cubamühle waren sie auch bereichtigt, eine Schneidemühle zu führen, was aber nicht jeder Müller in Anspruch nahm. Eine Besonderheit unter den Geraer Mühlen war die Walkmühle. Schwere Holzhämmer, von Nockenwellen angehoben, bearbeiteten in hölzernen, innen mit kupfernen Platten beschlagenen Mulden die von Tuchmachern und Gerbern gefertigten Stoffe und Leder. Die Stoffe erhielten durch das Walken eine höhere Festigkeit; das Leder wurde geschmeidiger. Die Walkmühle gehörte der Landesherrschaft und wurde in der Regel für drei Jahre an Bewerber verpachtet. Im Jahre 1852 verkaufte die fürstliche Kammer die Walkmühle zu gleichen Teilen an das Tuchmacher-, Weißgerber- und Zeugmacherhandwerk.
Als am 13. August 1889 die Klotzmühle in einem mehrstündigen Großbrand in Schutt und Asche versank, läutete dies das Ende der Geraer Mühlen ein. Erstmals wurde auf einen Wiederaufbau verzichtet. Die Hausmühle wurde 1936 abgebrochen; die Angermühle fiel der Neubebauung hinter dem ehemaligen Interhotel zwischen 1969 und 1972 zum Opfer. Die Cubamühle, bereits seit dem alliierten Bombenabwurf vom 6. April 1945 eine Ruine, wurde 1978 abgebrochen. Damit verschwand die letzte der Geraer Mühlen aus dem Stadtbild.
TEXT: STADTMUSEUM, STADTBIBLIOTHEK, STADTARCHIV
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