Wir schreiben das Jahr 2030. Der Alltag ist geprägt von Überwachung, Unbehagen und besonders von Angst. Es ist die Angst vor dem Virus, vor einer unbeabsichtigten Übertretung der regiden Gesetze, vor Kontrollen und Denunzianten, die überall mitgeht. Wer seinen Wohnbereich verlassen muss, tut das nur ungern, zumal da es ohnehin sehr aufwendig ist, alle Vorgaben zu erfüllen.
Die Stimmung ist bedrückend. Zwischen Verbotsschildern, Verhaltenshinweisen, und sogar an den unten angebrachten Leitmarkierungen wird permanent vor dem Risiko einer Infektion gewarnt: „Das Virus ist eine unsichtbare Gefahr für alle Menschen. Tragen Sie Verantwortung und bleiben Sie zu Hause!” Nur wenige Leute sind im öffentlichen Raum anzutreffen. Wer sich gerade in Sichtweite befindet, kann man nicht erkennen. Alle sind maskiert, tragen Schutzanzüge, gehen einander aus dem Weg, reden nicht, bewegen sich, als wollten sie möglichst nicht gesehen werden. Immerhin kann sich in dem ein oder anderen Overall auch Kontrollpersonal der Gesundheitsschutzstaffel befinden, und es gibt viele Dinge, die einem zum Verhängnis werden könnten: Ist mein Freigang korrekt angemeldet? Habe ich vielleicht irgendwo die Leitmarkierungen auf dem Fußboden missachtet? Wurde ich sämtlichen Fristen gerecht? Sind alle physischen Begegnungen im Kontaktkonto eingetragen, oder wäre das Kontingent dann vielleicht schon überschritten? Habe ich irgendwo Zweifel an dem Virus aufkommen lassen? Auch dann könnte ich als Gefährder eingestuft werden, weil es andere vielleicht dazu anregt, die Gesundheitsschutzgesetze und damit die Regierung in Frage zu stellen.
Also geht der Schutz der Gesundheit soweit, bis vom Menschen nichts mehr zu sehen ist. Die Frage, wie weit die Gesunden in ihrer Entscheidungsfreiheit eingeschränkt werden können, wo genau die Grenze verläuft, darf nicht gestellt werden. Propagiert wird die totale Solidarität. Und weil die immer weitergehenden Einschränkung auf Dauer nicht gesund sind, geht mit der Gesundheit allmählich auch die Selbstbestimmung verloren.
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