Thomas Kemmerich, FDP, ist überraschend Thüringens neuer Ministerpräsident geworden — mit Stimmen der CDU und AFD. Im entscheidenden dritten Wahlgang erhielt er die erforderliche Stimmzahl. 45 Abgeordnete des Thüringer Landesparlamentes votierten für ihn, 44 für Bodo Ramelow von der Linkspartei, und niemand für den Kandidaten der AFD.
Der erste Ministerpräsident, der mit Stimmen der AFD in sein Amt gelangt ist, stößt vielfach auf Ablehnung. In Erfurt, Jena und Saalfeld protestierten mehrere Menschen gegen das Wahlergebnis, aber auch in Berlin und Köln. Sie bezeichneten Kemmerich u. a. als einen Ministerpräsidenten von Höckes Gnaden. Bodo Ramelow nannte die Wahl seines Nachfolgers eine „widerliche Scharade“.
In der Sendung „Brennpunkt“, ARD, sagte Kemmerich, die AFD versuche, die Demokratie in Thüringen zu schädigen (20.22 Uhr). Er sei angetreten als Kandidat der demokratischen Mitte, äußerte er wenig später im Heute-Journal (22.03 Uhr). Angesprochen auf die ihm zugute gekommenen Stimmen von der AFD wiederholte er auch hier seinen Standpunkt, diese sei nicht die demokratische Mitte.
Es wird gemutmaßt, die AFD habe eine raffinierte Taktik angewandt, ihren eigenen Kandidaten im dritten Wahlgang fallen zu lassen.
Alexander Gauland, AFD, sprach von einem guten Tag für die Demokratie in Thüringen, und CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer von einem Schaden für Thüringen und weit über Thüringen hinaus. Nach Ansicht des stellvertretenden FDP-Vorsitzenden Alexander Graf Lambsdorff hätte Kemmerich diese Wahl nicht annehmen dürfen. Er empfahl ihm den Rücktritt.
Kemmerich wurde zwar demokratisch von einem deutschen Parlament gewählt, doch in mehrerlei Hinsicht ist dieses Ergebnis ein Novum. So ist er auch der erste Ministerpräsident, der der kleinsten Fraktion angehört, und wohl auch der erste, dem die eigene Partei hierzu nicht gratuliert.
Inzwischen hat sich das Präsidium der CDU einstimmig für Neuwahlen ausgesprochen. Dem Thüringer Landesverband warf die CDU-Vorsitzende vor, gegen Beschlüsse der Partei verstoßen zu haben. Kemmerich wiederum lehnte Neuwahlen ab und sagte im Mitteldeutschen Rundfunk, dies sei keine Alternative.
Für Neuwahlen müssten zwei Drittel der Angeordneten stimmen. Dieser Weg wird als unwahrscheinlich erachtet. Mehrere Politikwissenschaftler rechnen eher mit einem baldigen Rücktritt Kemmerichs.
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