GEFAHR EINER ESKALATION VORÜBERGEHEND GEBANNT

Die Außenpolitik der USA wirft derzeit wieder einmal Fragen auf. Nach der Erstürmung der US-Botschaft im Irak wurde auf Geheiß Donald Trumps ein bedeutender iranischer General getötet. Wie diese Aktion zu werten ist, und welche Strategie das Weiße Haus überhaupt im Nahen und Mittleren Osten verfolgt, ist seither Thema vieler kontroverser Diskussionen.

Vermutlich wollte der US-Präsident nach dem Vorfall am 31. Dezember 2019 seine Ernsthaftigkeit zum Ausdruck bringen, eine rote Linie ziehen, gleichzeitig den Iran schwächen, und dennoch als Wahrer des Friedens auftreten. Sicherlich aber wird die Entscheidung auf geheimdienstliche Erkenntnisse basieren.

Es folgte ein Gegenschlag des Iran, bei dem niemand getötet wurde, und der abgesprochen schien. Dann unterlief den iranischen Revolutionsgarden ein schwerer Fehler. Sie schossen am 8. Januar 2020 irrtümlich ein ukrainisches Flugzeug mit 176 Passagieren, darunter größtenteils Landsleute, vom Himmel. Es folgten Vertuschungsversuche, die später jedoch offenbar wurden. Nun richtet sich die Wut der Iraner wieder gegen die eigene Regierung — so wie Mitte November 2019, als die Benzinpreise erhöht wurden.

Der US-Regierung spielt das in die Hände, will sie doch mit den Sanktionen ebendiese Auflehnung gegen das Mullah-Regime erwirken. Denn deren wirtschaftliche und militärische Bestrebungen sind nicht im Interesse der USA. Viel mehr noch: Der Iran wirkt den Interessen der USA und seiner Verbündeten in der Region, allen voran Israel, immer stärker entgegen. Dem Westen geht es um sichere Verkehrswege am persischen Golf und den Zugriff auf Bodenschätze.

So wurde der Iran mit Sanktionen belegt, welche die Mittelschicht langsam in die Verarmung treiben, und man wartete, bis sich früher oder später Protest formiert, der sich gegen die eigene Regierung richtet. Der Staat verdient sein Geld mit dem Verkauf von Öl, was derzeit kaum mehr möglich ist.

Das Ansinnen der USA ist es nämlich nicht, auf Glückseligkeit und Wohlstand in der Welt hinzuwirken, sondern möglichen Konkurrenten den Nährboden zu entziehen, um den eigenen Niedergang aufzuhalten. In letzter Konsequenz wird die Führungsrolle, welche immer umstrittener wird, mit militärischer Gewalt verteidigt. Doch Donald Trump will keinen offenen Krieg, und das Mullah-Regime kann ihn sich nicht leisten. Der US-Präsident übt stattdessen maximalen Druck aus, droht, befiehlt gezielte Einzelschläge und bietet anschließend Verhandlungen und Frieden an. Zuckerbrot und Peitsche sind seiner Überzeugung nach eine Sprache, die die Mullahs verstehen. Wobei nicht unerwähnt bleiben darf, dass der Druck, der auf dem höchsten Amte eines Staates lastet, generell aus der Summierung verschiedener Einzelinteressen resultiert, die nicht selten einander Zuwiderlaufen.

Allerdings birgt diese Strategie des US-Präsidenten das Risiko einer unkalkulierbaren Kettenreaktion. Der gesamte Nahe und Mittlere Osten ist eine Gegend mit begehrten Rohstoffen unter einem Boden, der sehr heterogen bevölkert ist. Mentalitäten, Anschauungen, Temperament und Geistesgröße sind unterschiedlicher als es die räumliche Nähe zulässt. Es handelt sich um ein explosives Gemisch, das schon durch eine einzige Rakete entzündet werden kann. Je gezielter der Treffer, desto heftiger kann in dieser Gegend die Reaktion sein.

In den nächsten Wochen wird man den Streit schlichten wollen. Vermutlich wird sich die EU in die Bemühungen einbringen, ohne selbst eine Strategie für die Region zu haben. Danach könnten weitere Sanktionen folgen. Möglicherweise werden die USA versuchen, die EU so in das Geschehen einzubinden, dass bei einer erneuten Aggression plötzlich sie zum Betroffenen wird und dann die Rechtfertigung für ein militärisches Eingreifen vorliegt. Damit wäre der Konflikt quasi ausgelagert. Dabei darf nicht außer Acht gelassen werden, dass der Iran schon Ende 2022 im Besitz atomarer Waffen sein könnte.

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