ENGERE PARTNERSCHAFT ZWISCHEN GERA UND ROSTOW AM DON

Die Fotografie zeigt Dieter Müller im Pressegespräch zu seiner Reise nach Rostow am Don anlässlich des 270. Jahrestages der Stadt. (Bild: Claudia Steinhäußer, Stadtverwaltung)

Die städtepartnerschaftlichen Beziehungen zwischen Gera und Rostow am Don bestehen seit 32 Jahren. Im Oktober 1987 wurde der Vertrag vom damaligen Oberbürgermeister Horst Pohl unterzeichnet.
Erstmalig wurde eine Delegation aus Rostow am Don zu dem Höhlerfest 2017 eingeladen und die städtepartnerschaftlichen Kooperationen intensiviert. Nach weiteren Treffen in den vergangenen zwei Jahren, wird vom 13. September 2019 bis 15. September 2019 die Stadt Gera zum Kulturprogramm des Stadtfestes in Rostow durch den Aequalis Chor präsent sein. Anlässlich des 270. Jahrestages von Rostow am Don in dieser Woche wird ebenfalls eine Grußbotschaft von Oberbürgermeister Vonarb übermittelt.

Da der Wunsch bestand, die Verbindungen zwischen den beiden Partnerstädten aufzufrischen und zu vertiefen, wurden im Frühjahr in einem Arbeitskursus Ideen gesammelt. „Die 18 Teilnehmer des Workshops hatten viele Antworten auf die Fragestellung, wie die Partnerstädte noch enger zusammen rücken könnten. Das Ergebnis führt zu einer regelrechten Renaissance der Beziehungen“, so der Initiator Dieter Müller. Beispielsweis lädt der Boxclub Wismut sieben Boxer und einer Boxerin zu einem Turnier am 5. Oktober 2019 nach Lusan ein. Zu den weiteren Plänen gehören die Benennung einer Straße in Rostow am Don nach Gera, die Benennung eines Parks in Rostow am Don nach Gera und ein Volontariat von jungen Leuten aus Rostow am Don in Gera und umgekehrt.

Dieter Müller, Beauftragter der Stadt Gera für die Städtepartnerschaft Rostow am Don, vertrat die Stadt Gera bei der XV. Deutsch-Russischen Städtepartnerkonferenz in Düren, welche vom 25. bis 28. Juni 2019 stattfand. Er fertigte folgenden Bericht:

Die Konferenz, an der Dieter Müller im Auftrag der Stadtverwaltung Gera teilnahm, war eine neuerliche Bestandsaufnahme der partnerschaftlichen Beziehungen zwischen den Städten unserer Länder im Spannungsfeld der aktuellen Weltpolitik. Nicht von ungefähr wurde die Konferenz deshalb vor der offiziellen Eröffnung im Plenum mit einer Kranzniederlegung auf dem Westfriedhof Aachen II begonnen. Die Ehrung galt 162 sowjetischen Bürgern, die 1942 und 1943 als Zwangsarbeiter in Aachen starben.
Begonnen wurde die Konferenz mit dem Verlesen von Grußbotschaften der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel und des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Das Erinnern an den Beginn des 2. Weltkrieg vor 80 Jahren, der Katastrophe des 20. Jahrhunderts, war da der Ausgangspunkt. 78 Jahre war es am 22. Juni her, dass die faschistische deutsche Wehrmacht die Sowjetunion überfallen hatte.
Hervorgehoben wurde in den Grußadressen die große Bedeutung der Städtepartnerschaften, die direkte Kontakte zwischen den Bürgern herstellt, die Volksdiplomatie aktiviert.
Armin Laschet, der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, hob in seiner Rede die engen Beziehungen seines Bundeslandes mit den angrenzenden Belgien und Holland hervor, die mittlerweile zur Selbstverständlichkeit der Bürger in den drei Staaten geworden sind. Hier lebt man schon immer zusammen. Er kann sich vorstellen, dass es trotz größerer räumlicher Entfernungen auch immer mehr Kontakte zwischen Städten und Regionen und damit den Bürgern von Deutschland und Russland kommt. Trotz der 27 Millionen Toten hat die Sowjetunion 40 Jahre nach dem Krieg der Vereinigung Deutschlands zugestimmt und 500.000 Soldaten aus Ostdeutschland abgezogen. Wir mögen manchmal unterschiedliche Auffassungen haben, beide Länder sind aber Teil Europas. Churchill hat schon 1955 gesagt das die Sowjetunion, das Russland, eine wichtige Rolle in Europa spielen muss. Armin Laschet verwies auf die engen Verflechtungen zwischen unseren Ländern in Wissenschaft und Wirtschaft seit hunderten von Jahren. Die Zarin Katharina II. war aus Deutschland, sie lud damals Tausende von Deutschen nach Russland ein. In den 90er Jahren des vorigen Jahrhunderts kamen mehrere Millionen von deren Nachkommen als sogenannte Spätaussiedler aus den Ländern der ehemaligen Sowjetunion nach Deutschland zurück. Die Menschen haben immer noch Wurzeln in Russland, sie haben Verwandte und Bekannte.
Aktuell gibt es viele wirtschaftliche Beziehungen zu Russland, besonders in den neuen Bundesländern. Der sächsische Ministerpräsident war wegen dem Rückgang des Volumens der Handelsbeziehungen vor einigen Tagen bei Präsident Putin in Moskau.
Der Vorsitzende des Deutsch-Russischen Forums e. V., Matthias Platzeck, stellte fest, dass die Vergebung der Völker der Sowjetunion ein großes Geschenk für Deutschland war. Er sprach von aktuell etwas über 100 Partnerschaften zwischen Städten und Gebieten der beiden Länder. Die Aktivitäten für Städtepartnerschaften begann 1956 auf der Grundlage der Partnerschaft zwischen Coventry und Stalingrad (heute Wolgagrad), die noch während des 2. Weltkrieges im Jahre 1944 geschlossen wurde.
Wie ein roter Faden zog sich durch alle Diskussionsreden die derzeitige Russophobie, die Ihren Ausgangspunkt im Konflikt in der Ostukraine und um die Halbinsel Krim hat, und die daraus entstandenen Sanktionen der EU.

Derzeit scheint die große Politik unfähig Lösungen für die Konflikte zu finden. Wichtig ist dabei, dass wir „Verstehen“ nicht mit „Verständnis“ gleichsetzen dürfen und wir nicht darauf bestehen im Besitz der alleinigen Wahrheit zu sein. Ganz offensichtlich wird das Bewusstsein für die Zerbrechlichkeit von Frieden immer geringer. Ganz offensichtlich sind Medien in Deutschland und in Russland nicht immer neutral, sie spiegeln oft nur die eigenen Ängste wider.
Umso mehr sollten die Bürger in den Städten und Gemeinden Partnerschaften organisieren und nach Lösungen im Dialog suchen. Verstehen beginnt nun einmal bei Menschen im Dialog.

Herzlich begrüßte der Geraer die Vertreter aus der Partnerstadt Rostow am Don, die mit fünf Mitarbeiter der Verwaltung, unter Leitung der Wirtschaftsdezernentin Swetlana Kambulowa, anreisten. Zwei Abgeordnete der Gebietsduma, darunter der Vorsitzende, und zwei Dozentinnen von Hochschulen vervollständigten die starke Präsenz aus Rostow am Don.

Die Vertreter aus unserer Partnerstadt haben sich an den Diskussionen in allen sieben Arbeitsgruppen der Tagung beteiligt. Die höchste Teilnehmerzahl hatte die AG 6 „Zivilgesellschaft gestaltet Städtepartnerschaften – Wege der Verständigung – Wege zum Frieden“. Die anderen AG beschäftigten sich mit „Energieeffiziente und nachhaltige Stadtentwicklung“, „Digitale Stadt“, „Strategien für eine nachhaltige Entwicklung von Kommunen und Regionen“, „Zusammenarbeit in Wissenschaft, Kultur und Sprachförderung“, „Inklusion und Teilhabe“ und „Gesundheit: Medizinisch-wissenschaftliche und humanitäre Zusammenarbeit in Partnerstädten“.
Zu Beginn der Diskussion in der AG 6 wurden Teile des Filmes vom 80 Tage Treck von Brück in Brandenburg, im vorigen Jahr, ins 2330 km entfernte Nishni Nowgorod gezeigt. Die 8 Planwagen mit je zwei kräftigen Kaltblütern transportierten, neben den 25 Teilnehmern, eine 100 kg schwere Friedensglocke für die Kirche in Nishni Nowgorod. Unterwegs erhielt jede Gemeinde am Weg in Polen, dem russischen Gebiet Kaliningrad, Litauen, Lettland, Estland, und Russland eine kleine Nachbildung der Friedensglocke. An jeder Station auf der mittelalterlichen Handelsstraße „Hellweg“ wurde der Treck von den Einwohnern ganz herzlich begrüßt.

Für alle Beteiligten war das ein Erlebnis das lebenslang in Erinnerung bleiben wird.
Ein wichtiger Diskussionsbeitrag war der des Stellv. Vorsitzenden des Rates der Stadt Coventry, Abdul Khan, der Städtepartnerschaft als Volksdiplomatie bezeichnete. Unterschiedliche Auffassungen müssen dabei einfach akzeptiert werden, denn sonst kann Partnerschaft wohl nicht funktionieren. Die Partnerschaft mit Stalingrad/Wolgograd ist 76 Jahre alt und hat alle Dissonanzen der politischen Großwetterlage, sogar den Kalten Krieg, überlebt.

Immer noch glauben Kommunalpolitiker das man Partnerschaft verordnen kann, ob nun auf dem Gebiet des Sports, der Kultur oder anderen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens. Aus vielen Diskussionsreden war das noch deutlich herauszuhören. Leider kamen in Düren zu Wenige Volksdiplomaten zu Wort. Im Ergebnis der vielen Beiträge wurde immer deutlicher das nur die Beziehungen von Menschen aus den Städten und Gebieten beider Ländern wirkliche Volksdiplomatie ermöglichen, Anordnung hilft da wenig. Die Kommunalpolitik sollte sich als Türöffner, als Wegbereiter verstehen. Die Kontakte müssen die Bürger, die Volksdiplomaten, schon selbst aufrechterhalten. Wir Geraer sind da auf einem guten Weg. In diesem hat die Sportdelegation aus Rostow am Don, die uns im Mai besuchte, nach Gesprächen mit dem Präsidium des Stadtsportbundes direkte Gespräch mit drei Geraer Vereinen geführt. In deren Ergebnis kommt es vermutlich noch in diesem Jahr zum Besuch einer Boxstaffel in Gera und einer Gruppe Ausdauerläufer zum Höhlerfestlauf. Die schon einmal kurzzeitig im Foyer des Rathaussaals gezeigte Bilderausstellung über den Sport in Rostow am Don wird bald an einer anderen Stelle in Gera ausgestellt. Der Auftritt eines Geraer Chors in Rostow am Don zum Stadtfest in diesem September ist auch schon recht sicher.

Wichtigste Aktivität der Partnerschafft zwischen unseren Städten dürfte aber der Besuch einer Schülergruppe des Osterlandgymnasium in der Schule Nr. 53 zum Stadtfest im September sein.

Der Besuch junger Menschen, wie vom Osterlandgymnasium, in der Partnerstadt wird wohl die Zukunft sein. Hier sollte sich Kommunalpolitik und Landespolitik noch wesentlich stärker als bisher engagieren. Eine Voraussetzung für den Aufbau und die Erhaltung von Zukunftsbeziehungen ist neutrale politische Bildung in unseren Schulen, ein Geschichtsunterricht der den jungen Menschen in Deutschland keine Schuld am 2. Weltkrieg zuweist, aber die Gefahren einseitiger Darstellungen extremer Positionen sehr deutlich aufzeigt.

Städtepartnerschaft, ein bewährtes Mittel kommunaler Außenpolitik, der geeignete Ort für Impulse um Verständigung, für menschliche Begegnungen unabhängig von politischen zwischenstaatlichen Problemen.


Ein wichtiges Fazit war die Feststellung: Wir müssen auch wieder das „Streiten“ lernen. Es hilft dabei festzustellen „Das wir uns einig sind das wir nicht einig sind“. Es ist einfach wichtig seine Meinung zu äußern, ganz egal wer da im Saal sitzt oder sonst zuhört.

QUELLE: STADTVERWALTUNG

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