Ist die Demokratie die beste aller Staatsformen oder lediglich Etappe eines größeren Entwicklungsprozesses, der sich über weite Zeiträume erstreckt und deshalb gar nicht als solcher wahrgenommen wird?
Betrachtet man alle zurückliegenden Epochen und Herrschaftsformen, kamen Demokratien nur selten vor. Auch währten Demokratien in der Regel nicht sehr lange. Heute jedoch ist diese Staatsform weltweit so verbreitet wie nie zuvor. Sie wird in den jeweiligen Ländern als die einzig erstrebenswerte betrachtet und gerät dennoch immer mehr in eine Krise. Könnte es da nicht zu einer überraschenden Wendung kommen?
Die ersten Erfahrungen mit der Demokratie arbeitete der griechische Philosoph Platon in seinem Werk Πολιτεία auf. Bemerkenswert ist, dass sie dort nicht als die höchste Form eines Staates dargestellt wird, sondern als Krankheit und Kennzeichen dessen Verfalls. Die Demokratie endet in einem Extrem, dass ein gegenteiliges Extrem zur Folge hat. Sinngemäß schreibt der antike Lehrmeister:
Die Demokratie nimmt sich auf unersättliche Weise die Freiheit zum Ziel und wird schließlich an der Ausartung der Freiheit zugrunde gehen. Aus der zur höchsten Spitze getriebenen Freiheit erwächst die größte und drückendste Knechtschaft.
Was Platon unter einer „Ausartung der Freiheit“ versteht, beschreibt er im achten Buch desselben Werkes. Dabei geht er davon aus, dass die Verfassung eines Staates den inneren Zustand der dort lebenden Menschen widerspiegelt.
Die große Mehrheit, die sich mit einem Kinder- und Weiberverstande nur an dem Bunten ihr Auge ergötzt, wird die demokratische Verfassung als die schönste anerkennen. Denn sie bietet einen großen freien Spielraum, zu treiben, was man will. Die Unfähigen gelangen an die Spitze und die Milde ist derart, dass Leute nach ihrer Verurteilung oder Verbannung dableiben und mitten in der Stadt auf und ab spazieren können. Als habe kein Mensch acht noch Auge auf ihn, stolziert ein solcher Kerl wie ein Held einher!
Die Demokratie wird als eine bunte Verfassung des Staates beschrieben, „die ohne Unterschied Gleichen und Ungleichen dieselbe Gleichheit gewährt”. Das Leben des Freiheits- und Gleichheitsmannes kenne weder Ordnung noch Konsequenz. Von der Freiheit wird man in einem demokratisch regierten Staate immer hören, dass sie das allerhöchste Gut sei, meinte der Philosoph.
Überdies könne man beobachten, wie eine Partei die Farbe der anderen annimmt und die Posten nicht mehr nach der Eignung der Menschen vergeben werden. Minderbegabte gelangten in höhere Ämter und Hochbegabte würden nicht entsprechend ihrer Fähigkeiten gefördert. Auch die Erziehung werde vernachlässigt, sodass die Demokratie immer mehr Unfähige hervorbringe, die nur noch nach Lust und Laune arbeiten, zudem auch gar keine Ausdauer besitzen.
Der Vater gewöhnt sich daran, dem Sohne zu gleichen, und der Sohn achtet und fürchtet seine Eltern nicht, will er doch frei sein. Der Metöke will dem Altbürger gleich sein und der Altbürger dem Metöken, und der Fremde ebenso. Der Lehrer fürchtet und hätschelt seine Schüler, die Schüler fahren den Lehrern über die Nase und so auch ihren Erziehern. Und überhaupt spielen die jungen Leute die Rolle der alten und wetteifern mit ihnen in Wort und Tat; die Alten lassen sich zu den Jungen herab, geben sich voll Witz und Scherz und ahmen die Jungen nach, um nur ja nicht mürrisch und herrisch zu erscheinen. Im Verhalten werden die Weiber zu Männern und die Männer zu Weibern. Wie groß da die Gleichberechtigung und Freiheit ist, das hätte ich beinahe vergessen zu erwähnen!
Möglicherweise ist es so, dass eine Demokratie nur solange Bestand hat, wie die Mehrheit in einer zuversichtlichen Stimmung gehalten werden kann und die zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse zur Verfügung stehenden Mittel nicht weniger werden oder schwieriger zu erlangen sind. Geht diese Zuversicht verloren, werden die Regierenden in Frage gestellt. Dieser Stimmungswandel vollzieht sich zuerst in den unteren Schichten, wo die Menschen von der Hand in den Mund leben und über die großen Zusammenhänge nicht nachdenken.
Dann wählen sie den Populisten, der sagt, was sie hören wollen. Ist er stark genug geworden, wenden sich die Intellektuellen und Vermögenden gegen ihn und sorgen dafür, dass er zurückgedrängt wird. Das jedoch erbost jene, die keine Zuversicht mehr haben, um so mehr. Es kommt zu Unruhen, und allmählich schwindet der gesellschaftliche Frieden. Aus dem Chaos heraus wird dann eine straffe Hand gewünscht. Schließlich wird es der charismatische Anführer sein, auf den die Stimme fällt, der Versprechungen macht und zugleich gegen die Widersacher hetzt. Er beeindruckt mit seinem entschiedenen Auftreten und trägt jene Merkmale in sich, die der bunten Gesellschaft vorher zuwider waren.
Aber dieser Herrscher weiß, dass er seine Versprechungen nicht bezahlen kann. Die Staatskassen sind längst leer, und er kommt nicht umhin, die Wohlhabenden auszunehmen — und zwar jene, die er als Schuldige für die Misere des Staates sieht.
Doch auch dieses Vermögen wird nicht reichen, um dem Wohlstandsanspruch der Hoffnungslosen gerecht zu werden. Er weiß längst, dass er gezwungen sein wird, Kriegsbeute zu machen, denn sonst würde sich die Masse gegen ihn wenden. Und so schwört er die Menschen schon zu Beginn auf einen Gegner ein.
Das Scheitern der Demokratie kann aber verhindert werden — durch gezielte Propaganda und Manipulation der breiten Öffentlichkeit. Davon jedenfalls war Edward Bernays, Neffe des berühmten Psychologen Sigmund Freud, überzeugt. In seinem 1928 veröffentlichten Buch ist zu lesen:
Wenn wir die Mechanismen und Motive des Massenbewusstseins verstehen, wäre es möglich, die Massen nach unserem Willen zu kontrollieren und zu reagieren, ohne dass sie es erkennen, denn bewusste und intelligente Manipulation der organisierten Gewohnheiten und Meinungen der Massen ist ein wichtiges Element in einer demokratischen Gesellschaft.
Hierzu seien Organisationen notwendig, die im Verborgenen arbeiten, die gesellschaftlichen Abläufe lenken und im Dienste der Elite stehen. Für deren Ziele dürfe und müsse die öffentliche Meinung angepasst werden.
Was aber, wenn die Leute merken, dass sie manipuliert werden und von den Vorgehensweisen aus verschiedenen Schriften erfahren? Würden sie dann nicht misstrauisch, sich von den Wahlurnen fernhalten, und hätten dadurch nicht die Stimmen derer mehr Gewicht, die sich aktiv gegen den Staat wenden? Sollten die Regierenden in der Demokratie sich dessen gewahr werden, weil die Entwicklung für sie immer bedrohlicher wird, wären sie es schließlich selbst, welche die Demokratie in eine Diktatur umwandeln, denn sie müssten zunächst diese Schriften und deren Verteilungswege kontrollieren, und alles unliebsame beseitigen. Somit würde die Demokratie auch hier zur Diktatur führen, allerdings über einen anderen Weg.
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