Nach dem Tode soll jeder als Organspender zur Verfügung stehen, wenn kein Widerspruch vorliegt. Dafür setzt sich Bundesgesundheitsminister Spahn ein, ebenso der SPD-Politiker Lauterbach und weitere Abgeordnete des Parlaments. Der Entwurf sieht ein Register vor, in dem der Widerspruch eingetragen werden muss. Dieser Eintrag könne jederzeit geändert werden. Mit der sogenannten Widerspruchslösung soll die Verfügbarkeit von Organen erhöht werden.
Auch in der Gesellschaft löst das Thema kontroverse Diskussionen aus — beginnend bei den verwendeten Begriffen „Tod” und „Spende”. Denn aus Sicht einiger Kritiker sind diese so gewählt, dass sie die Wahrnehmung der Tatsachen verändern und unterschwellig eine neue moralische Norm implementieren. Ohne diese Suggestion würde der Vorschlag allerdings anders lauten und Fragen aufwerfen:
„Nach einem unumkehrbaren Ausfall der Hirntätigkeit steht jeder der Explantation zur Verfügung, sofern kein Widerspruch vorliegt.”
Handelt es sich ohne die Wörter „Tod” und „Spende” um Sterbende, die in dem Zustand gehalten werden, um sie ausweiden zu können? Durch die verwendeten Begriffe wird jedenfalls das Gefühl vermittelt, etwas gutes getan zu haben. Sie verbessern die Zustimmung und sorgen dafür, dass die Entnahme nicht näher betachtet wird.
Tot ist man, wenn alle Körpersysteme zum Erliegen gekommen sind und kein Stoffaustausch mehr stattfindet. Dann aber sind die Organe nicht mehr verwendbar. Andererseits ist der Tod das Kriterium für die Organentnahme. Wenn aber nun bereits der unumkehrbare Ausfall der Hirntätigkeit als Kriterium für den Tod verwandt wird, macht das die betroffenen Menschen zu einem Objekt für die Explantation.
In der Dokumentation „Der Streit um den Hirntod”, ausgestrahlt am 24. März 2018 im Programm „Arte” sagt Professor Robert Troug von der Harvard-Universität:
„Der Hirntod wird gegenüber der Gesellschaft oft als ein glasklares Konzept dargestellt — als wäre die Linie zwischen Tod und Leben dabei klar definiert. Aber das stimmt nicht. Der Hirntod ist kein wissenschaftlicher Fakt; er ist keine medizinische Diagnose. Er ist eine soziale Übereinkunft. Es ist wichtig zu wissen, was man meint, wenn man sagt, jemand sei tot. Wenn man damit jemanden meint, der kalt ist, und dessen Körper steif ist, und der beerdigt werden kann, dann sind Hirntote nicht tot. Sie können in diesem Zustand noch Jahre weiterleben. Was einige Menschen meinen, wenn sie von Hirntoten als Tote sprechen, dann, dass diese Personen für immer im Koma sein und nicht mehr aufwachen werden. Und in diesem Sinne ist das auch richtig. Ich glaube aber nicht, dass dies der Zustand ist, den die meisten Menschen als Tod bezeichnen würden. Die Öffentlichkeit wird in diesem Punkt nicht klar informiert.”
Dokumentation „Der Streit um den Hirntod”, Minute 27:40
Wenn die Organtransplantation dank fortschreitender Technik nur noch ein Routineeingriff ist und die Möglichkeiten der Medizin größer werden, wächst zwangsläufig auch der Bedarf. Damit stellt sich mit Blick in die Zukunft auch die Frage, welche unabsehbare Entwicklung mit der sogenannten Widerspruchslösung eingeläutet wird.
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