Auch der Linkspartei scheinen schwierigere Zeiten bevorzustehen. Während die Wahltermine näher rücken, lässt sich das Rumoren in den oberen Etagen kaum mehr verbergen. Das kann Stimmenverluste zur Folge haben.
Am 11. März 2019 hatte Sarah Wagenknecht angekündigt, im Herbst nicht erneut für den Fraktionsvorsitz ihrer Partei zu kandidieren, und sich am Wochenende davor aus der ersten Reihe der Sammlungsbewegung „Aufstehen“ verabschiedet. Sie sprach davon, innerlich ausgebrannt zu sein. Zwei Monate lang war sie krank.
Als Ursache dafür gilt der Konflikt innerhalb der Parteispitze. Dort haben sich zwei Lager herausgebildet, und der Graben verläuft zwischen Wagenknecht, welche sich eher auf die unteren sozialen Schichten konzentriert, und der Parteivorsitzenden Katja Kipping, welche die Partei auch für eine Zielgruppe interessant machen möchte, die bislang die Grünen gewählt hat. Mit der inhaltlichen Annäherung sollen Koalitionen in der Zukunft erleichtert werden.
Kipping weiß ihren Co-Vorsitzenden Bernd Riexinger hinter sich, auch Cornelia Möhring, Anke Domscheit-Berg, Martina Renner und Sabine Leidig. Der seit langem schwelende Konflikt ist auf eine Kontroverse innerhalb der Linken zurückzuführen, die sich durch die Ausrichtung auf diese unterschiedlichen Zielgruppen ergibt. Menschen auf der unteren sozialen Ebene, mit geringem Verdienst und schlechter Begüterung, ebenjene, die Sarah Wagenknecht ansprechen möchte, sind von Verteilungsängsten geplagt, die mit der Zuwanderung weiter zu wachsen drohen. Die neue Zielgruppe Kippings hingegen kennt diese Ängste kaum, und deshalb findet die Zuwanderung dort uneingeschränkten Zuspruch. Es sind die Bessergebildeten und Besserverdienenden, die in den Städten leben, zumeist im Westen, und in der Linken eine Partei sehen, die sich für das Recht auf Asyl und gegen geschlossene Grenzen einsetzt.
In der Linkspartei steht man nun vor folgender Frage: Was ist die richtige Antwort auf eine Rechtsentwicklung in der Gesellschaft? Die Standpunkte sind verschieden, und in TV-Sendungen erklärte Kipping, dass Positionen in der Partei auf demokratischem Wege gefunden werden müssten.
Sarah Wagenknecht sagt man nach, sie habe, beflügelt von der wachsenden Zustimmung der Unzufriedenen, einen eigenen Kurs einschlagen wollen, und zwar mit deutlich mehr getöse, als es den Parteivorsitzenden und anderen in der Spitze lieb gewesen sei. Der Zwiespalt in der Partei besteht, seit der Protest neue Ausdrucksformen gefunden hat, und ein Teil der Stimmen abgewandert ist. Die von Wagenknecht ins Leben gerufene Bewegung „Aufstehen“ gehe auf zu große Eigenwilligkeit und Selbstüberzeugung zurück, heißt es, und das Scheitern sei absehbar gewesen. Denn Bewegungen ließen sich nicht von oben anordnen.
Andere politische Beobachter glauben, man habe ihre zunehmende Dominanz und Popularität mit Argwohn beobachtet und in der Partei entsprechend reagiert. Laut Umfragen ist Wagenknecht mittlerweile das bekannteste Gesicht der Linken — noch vor den beiden Parteivorsitzenden Kipping und Riexinger. Diese würden die öffentliche Wahrnehmung für sich als nachteilig empfinden und Wagenknecht deshalb einbremsen. Mit der Sammlungsbewegung habe sie daraufhin einen eigenen Weg versucht.
Die Linkspartei hat gegenwärtig etwa 62’000 Mitglieder. Der Altersdurchschnitt ihrer Anhänger ist im Osten höher, und dort tritt sie auch mit Blick auf mögliche Regierungsbeteiligungen moderater auf. Im Westen dagegen haben zunehmend jüngere Leute, die sich nicht um den sozialen Abstieg sorgen, aber über fundamentale gesellschaftliche Veränderungen nachdenken, Interesse an den Linken. Die letzen Erhebungen der Demoskopen zeigen rückläufige Umfragewerte für die Partei.
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