Vor einhundert Jahren hatten in Deutschland zum erstenmal alle Frauen und Männer das „allgemeine, gleiche und geheime Wahlrecht“. Erst seit dieser Zeit ist es auch Frauen möglich, eine Stimme abzugeben. Doch sie waren keineswegs die einzigen, denen das vorher versagt war. Auch zahlreiche Männer durften nicht wählen, beispielsweise Arbeiter und Erwerbslose. Denn wahlberechtigt waren im Grunde nur die gut betuchten Männer. Der Kampf für das Frauenwahlrecht ging einher mit der Abschaffung des Zensuswahlrechts für Männer.
Die „deutsche National-Versammlung“ in Frankfurt am Main war im damaligen Verständnis das erste demokratisch gewählte Parlament. Gewählt wurde sie im Jahre 1848, wobei jeweils 50’000 Männer einen Abgeordneten wählten. Wahlberechtigt waren nur sogenannte selbständige Bürger, und zwar Männer, ab einem Alter von 25 Jahren. Dieses Kriterium erfüllten rund 85 % der Männer in dieser Altersgruppe. Als „nicht selbständig“ galten Bezieher von Armenunterstützung, Dienstboten, Handwerksgehilfen, Fabrikarbeiter und Tagelöhner. Diese durften keine Stimme abgeben.
Zur damaligen Zeit war die Ansicht weit verbreitet, die natürliche Bestimmung der Frau sei es, für Haus und Familie da zu sein. Die Politik dagenen sei ein Betätigungsfeld gebildeter Männer. Frauen könnten wegen ihrer sozialen Rolle nicht unabhängig urteilen; sie besäßen eine geringere Bildung und ein geringeres Verständnis von größeren Zusammenhängen.
Am 19. März 1911 wurde zum erstenmal ein Internationaler Frauentag zur Propaganda des Frauenwahlrechts abgehalten. Die für das Frauenstimmrecht kämpfenden Frauen blieben in Deutschland im Gegensatz zu anderen Ländern in der Minderheit. Trotz ihrer großen Anstrengungen blieben sie zunächst erfolglos, zumal da Frauen keine geschlossene Einheit bildeten. Es gab eine Kluft zwischen den höheren und niederen gesellschaftlichen Schichten. Erkämpft wurde es vor allem von den Sozialdemokraten (Erfurter Parteitag 1891). Unter diesen traten viele Männer für das „allgemeine, gleiche, direkte Wahl- und Stimmrecht“ ein.
Der Rat der Volksbeauftragten veröffentlichte am 12. November 1918 den Aufruf „An das deutsche Volk.“ Dort ist unter Punkt 9 zu lesen:
„Alle Wahlen zu öffentlichen Körperschaften sind fortan nach dem gleichen, geheimen, direkten, allgemeinen Wahlrecht auf Grund des proportionalen Wahlsystems für alle mindestens 20 Jahre alten männlichen und weiblichen Personen zu vollziehen.“
Am 19. Januar 1919, zur Wahl zur Deutschen Nationalversammlung, durften alle über 20-jährigen Personen eine Stimme abgeben und sich auch selbst zur Wahl stellen. Die „allgemeinen, gleichen, unmittelbaren und geheimen Wahlen“ wurden in Artikel 22 der Verfassung des Deutschen Reichs vom 31. Juli 1919 (Weimarer Verfassung) festgeschrieben.
Kommentar hinterlassen