Anfang August 2018 übergaben Gerhard Lange und Torsten Klakow eine Chronik über die ereignisreiche Geschichte, kräftezehrende Wettbewerbe, erkämpfte Erfolge, aber auch Tiefschläge der lokalen Sporttradition des „TSV Zwötzen – Abteilung Kanu“ sowie der Vorgängervereine der Leiterin des Geraer Stadtarchivs, Christel Gäbler.
Der Kanu-Sport wurde in Zwötzen vermutlich bereits in den 1920er und 1930er Jahren betrieben. Ein erstes verifiziertes Datum stellt das Jahr 1930 dar, in dem der Wassersportverein „Faltbootfreunde Gera“ in Zwötzen ein Bootshaus erhielt, wenngleich es sich dabei noch um ein äußerst bescheidenes, barackenähnliches Gebäude handelte. Unter dem Vereinsvorsitzenden und Trainer Erwin Weinschenk (1928-2017) entwickelte sich die neue Disziplin „Kanu-Slalom“ rasch zu einer gefragten Sportart. Aufgrund der großen Zahl junger Talente gelang es den Kanuten schnell, den Anschluss an die führenden Vereine in der damaligen Ostzone zu finden. Stellvertretend sollen nur einige wenige Erfolge von Sportlern der Ära Weinschenk genannt werden: Karl Schröder konnte sich im Laufe seiner Karriere, die er späterhin in der Bundesrepublik Deutschland (BRD) fortsetzte, insgesamt zehn Mal den deutschen Meistertitel und in einem Fall sogar den Weltmeistertitel (1963) erkämpfen. Beim Arkansas-River-Rennen 1958 landete er auf dem zweiten Platz und das WW-Fraser-Rennen in Kanada im selben Jahr über eine Strecke von 260 Kilometern beendete er als Sieger. Für seine sportlichen Leistungen wurde ihm im Jahr 1968 das silberne Lorbeerblatt, die höchste Sportauszeichnung der BRD, durch den Bundespräsidenten verliehen. Dass der Kanusport auch erfolgreiche Sportlerinnen hervorbrachte, beweist die nachfolgende Erfolgsserie: Sigrid Schneider wurde mehrfache DDR-Meisterin und konnte sich einmal den Titel als gesamtdeutsche Meisterin sichern. Im Rahmen des 1952 in Lippstadt veranstalteten und für die damalige Zeit größten internationalen Kanu-Slalom, bei welchem Sportler aus Mexiko, Frankreich, England, Luxemburg, Belgien, Westdeutschland und der DDR vertreten waren, schaffte es Sigrid Schneider im Einer-Faltboot sogar auf den zweiten Platz. Gudrun Krieger und Gertrud Sellner wurden beide DDR-Jugendmeisterinnen.
Doch prägten nicht nur diese beachtlichen Erfolgserlebnisse die Geraer Kanusportgeschichte, sondern auch Tiefen in Form fehlender Nachwuchssportler, der Übersiedelung einiger Sportler in die BRD und nicht zuletzt die durch das Hochwasser des Jahres 1954 unbenutzbar gewordene Trainingsstätte veranlasste die Vereinsmitglieder zur Aufgabe des Zwötzener Standortes.
Weniger als ein Jahrzehnt dauerte es, bis Erwin Weinschenk eine neue Initiative zur Wiederbelebung der Zwötzener Kanu-Abteilung startete. Bereits im Herbst 1962 fuhren die Zwötzener Sportler wieder zu ihrem ersten Wettkampf nach Zwickau. Das nunmehr große Interesse an der Sportart sorgte bald dafür, dass den zahlreichen interessierten Sportler nicht genügend Trainingsboote zur Verfügung standen, sodass in Eigeninitiative Faltboote gebaut werden mussten. Ein Jahr später beteiligte sich der Verein bereits an den Bezirksmeisterschaften und begründete eine bis in die Gegenwart reichende, stolze Sporttradition. Als zwei der aktuell erfolgreichsten Kanutinnen des TSV Zwötzen sind Stella Melhorn (2017 Weltmeisterin im Team 3xK1) und Lucie Krech (Deutsche Meisterin im Team 3xK1) zu nennen, die beide in Leistungszentren außerhalb Thüringens trainieren, jedoch noch immer Vereinsmitglieder sind.
„Der besondere Quellenwert der Chronik des Kanusports in Gera-Zwötzen ist darin zu sehen, dass nicht nur die großen Zäsuren der Vereinsgeschichte thematisiert wurden, sondern auch zahlreiche Abbildungen den Vereinsalltag ebenso wie Wettkampfteilnahmen und Wanderfahrten illustrieren“, würdigte Archivleiterin Christel Gäbler die in über 50 Jahren Vereinsmitgliedschaft erstellte Dokumentation Gerhard Langes.
BILD UND TEXT: STADTVERWALTUNG
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