1936: „REICHSAUTOBAHN-ARBEITEN AUF GERAER FLUR”

Seit dem 17. Dezember 1937 ist die Stadt Gera über die Autobahn erreichbar. Vorausgegangen waren Bauarbeiten in bis dahin ungekannter Größenordnung. Hierzu ist in der Geraer Zeitung vom 22. Februar 1936 folgendes zu lesen:

Lokomotiven im Gelände.
In die einst so ruhige und vom Verkehr teilweise vollkommen unberührt gebliebene Landschaft im Osten des Geraer Stadtgebietes ist Bewegung gekommen, und jetzt schon kann man bei einer Wanderung in diese Gebiete zwischen Gera und Ronneburg feststellen, daß sich dort große Veränderungen vollzogen haben. Im wahrsten Sinne des Wortes werden dort Berge versetzt und ganze Talgründe zugeschüttet.

Die große Ost-West-Strecke der RAB. Dresden–Frankfurt a. Main (RAB. = abgekürzte Form für Reichs-Auto-Bahnen) hat sich mehr und mehr an das Geraer Stadtgebiet herangeschoben, und heute kann berichtet werden, daß die Bauarbeiten seit einigen Tagen auch auf dem Geraer Gelände in Angriff genommen worden sind.

Wellenförmig zieht sich das Gelände zwischen Gessental und Brahmetal hin; es sind die Ausläufer der charakteristischen Thüringer Hügellandschaft, nordöstlich der Bahnlinie Ronneburg–Meuselwitz beginnt das Altenburger Flachland. Durch diese Berg- und Tallandschaft mit ihren mannigfaltigen Zerklüftungen und Verwerfungen baut man die rund dreißig Kilometer lange Teilstrecke der RAB. zwischen Ronneburg und Hermsdorf unter Leitung der Bauabteilung Gera II mit dem Geraer Stadtgebiet als Mittelpunkt. Vorerst sind auf der ersten Hälfte dieses Teilabschnittes, zwischen der Bahnlinie Ronneburg–Meuselwitz und dem Geraer Flugplatz, die Vorarbeiten für die außerordentlich umfangreichen Erdbewegungsarbeiten bewältigt worden, und damit ist die ganze Linienführung der RAB. bereits erkennbar. Der Streckenverlauf mutet noch wie eine Berg- und Talbahn an; mit dem Durchstich der Höhenzüge und der Auffüllung der Taleinschnitte wird in aller Kürze begonnen. Doch inzwischen ist der Bau einer das ganze Gelände durchziehenden Feldbahn fertiggestellt, und überall kann man die im Winde zerflatternden Rauchfahnen der Feldbahn-Lokomotiven im Gelände auftauchen sehen.

„Zentralbahnhof” Korbußen.
An der Landstraße Werdau–Zeitz ist auf dem Gelände zwischen Ronneburg und Korbußen eine ausgedehnte Feldbahnanlage mit Verwaltungsbauten, Lokomotivschuppen und allem anderen Zubehör errichtet worden. Es ist der „Zentralbahnhof” Korbußen, auf dem die vielen für die umfangreichen Erdbeförderungsarbeiten benötigten Lokomotiven und Wagenzüge untergebracht sind. Von dort aus führen die Gleisstrecken strahlenförmig nach allen Richtungen. So hat zum Beispiel die Straße Gera–Dorna an der Kreuzungsstelle der RAB. in der Nähe der Kraftposthaltestelle Röpsener Kirchhäuschen einen regelrechten Bahnübergang mit Schranken und Schrankenwärter erhalten. Ueber die Reichsfernstraße Gera–Ronneburg zieht sich ebenfalls eine zweigleisige Feldbahnstrecke hin, die auf beiden Seiten durch mehrere Warnungstafeln gekennzeichnet ist; auch dort tut ein Bahnwärter Dienst.

Eine halbe Million Kubikmeter Sand.
Für die Oberflächenbefestigung und für die vielen auf dieser Strecke der RAB. vorgesehenen Brückenbauten werden dort große Mengen Sand benötigt. Rechtzeitig sind die notwendigen Erhebungen nach Sandvorkommen angestellt worden, denn die Transportkosten spielen eine große Rolle, und man ist bestrebt, nach Möglichkeit derartige Vorkommen in der Nähe der RAB.-Baustrecken zu erschließen. So ist man am oberen Gessental auf ein Sandvorkommen von außerordentlich großen Ausmaßen gestoßen, dessen Ausbeute allen Bedarf zu decken vermag.

Südlich des Ortes Schmirchau auf dem am Waldrande gelegenen Gelände erkennt man die großen Vorbereitungen für den Sandabbau. Riesenbagger mit Höchstleistungsvermögen werden zur Zeit dort montiert, und vom Standplatz der Bagger aus fahren die Feldbahnzüge in Richtung Korbußen, um vom dortigen Feldbahnhof aus die Sandmassen an die Baustellen zu befördern. Es ist ein Gesamtbedarf von rund einer halben Million Kubikmeter Sand errechnet worden, und man spricht von einer Tagesabbauleistung von 1500 Kubikmeter. Im Verlauf der nächsten Monate werden sich die Bagger mit ihren Eisenzähnen und den wie große Mäuler ausschauenden Greifern in das Schmirchauer Gelände „hineinfressen”, und die Feldbahnzüge werden sozusagen den ganzen Südhang des oberen Gessentales von den Baggern aufgeladen bekommen, um die Sandmassen, die dort teilweise in einer Tiefe von 25 Meter anstehen, abzufahren. Also, wie gesagt, es werden dort ganze Berge versetzt…

Je Kilometer eine Brücke.
Sicherlich eine der brückenreichsten Strecken der RAB. ist der rund 15 Kilometer lange Teilabschnitt zwischen dem Bahnhof Beerwalde an der Bahnlinie Ronneburg–Meuselwitz und dem Geraer Flughafen. Nicht weniger als fünfzehn Brücken müssen dort errichtet werden; also durchschnittlich entfällt auf einen Kilometer RAB.-Bauabschnitt auch ein Brückenbau. Die ersten drei großen Brückenbauten sind bereits im Gelände östlich von Gera nahezu fertiggestellt. Zwei davon muten wie ausgedehnte Gebäudeneubauten an, denn die riesigen Holzgerüste für die Betongußeinschalungen umkleiden noch die Brückenwandungen.

Es handelt sich um Straßenüberführungen über die RAB. hinweg, die eine Ueberführung liegt im Zuge der Straße Gera–Korbußen, die zweite im Zuge des Ortsverbindungsweges Naulitz–Korbußen. Diese beiden Bauten ragen freistehend im Gelände weithin sichtbar empor. Beiderseits sind hohe Dammanschüttungen notwendig, mit denen auf Korbußener Seite inzwischen begonnen wurde. Ersatzstraßenzüge sind gebaut worden, um den Verkehr nicht zu unterbrechen oder umleiten zu müssen. Gegenwärtig wird eine derartige Ersatzstraßenstrecke zwischen Trebnitz und Schwaara erstellt, um auch dort mit dem Ueberführungsbrückenbau beginnen zu können. Große Berge von Baumaterial sind dort im Laufe der jüngsten Wochen angefahren worden.

Der dritte umfangreiche Brückenbau befindet sich im Zuge der Reichsfernstraße zwischen Ronneburg und Großenstein. Dort wird die RAB. über die Reichsfernstraße hinweggeleitet; der Straßendamm wird erheblich tiefer gelegt. Auch dort hat man eine Umleitungsstrecke hergestellt. Da die Dammanschüttungen zu beiden Seiten der neuen Betonbrücke noch fehlen, sieht der Brückenbau mit seinen nach unten abgeschrägten Seitenprofilen wie ein im Gelände vor Anker gegangener Ueberseedampfer aus.

Straßen werden verlegt.
Die über die Speutewitzer Höhe ins Brahmetal hinabführende Straße Gera–Dorna muß wegen der Kreuzung mit der RAB. auf einem Teilabschnitt verlegt werden. Inzwischen wird der Brückenbau für den künftigen Verlauf der Straße Gera–Dorna in dem sich von der Speutewitzhöhe in nördlicher Richtung talwärts ziehenden tiefen Geländeeinschnitt vorbereitet. Eine Behelfsbrücke für die Feldbahn führt bereits über diesen Geländeeinschnitt hinweg. In einer weit ausgebogenen S-Kurve läuft die Straße Gera–Dorna von der Speutewitz-Höhe ins Brahmetal hinab. Auf dem Abschnitt zwischen dem Auslauf der S-Kurve und dem Röpsener Kirschhäuschen wird sie verlegt und unter der RAB. hindurchgeführt.

Auch auf Roschützer Flur werden Straßen- und Wegeberichtigungen vorgenommen. Für den Ortsverbindungsweg Roschütz–Röpsen und für die beiden nach dem Roschützer Rittergut hinaufführenden wege wird eine gemeinsame Brückenunterführung gebaut. So werden sich mancherlei landschaftliche Veränderungen auch im Brahmetal vollziehen.

Dampframme im Brahmetal.
Einige Schwierigkeiten bereitet die Hinwegführung der RAB. über die Brahme und deren sumpfiges Ufergelände. Die Baustrecke führt, von Trebnitzer Flur herabkommend, zunächst an den Hängen entlang, die das Brahmetal auf der Südseite umsäumen; am Röpsener Teich wird der Brahmebach erreicht. Der dort befindliche Talkessel hat losen sumpfigen Untergrund. Da an jeder Stelle für die Ueberführung der RAB.-Baustrecke über die Brahme und über den Feldweg hinweg eine Brücke gebaut werden soll, mußte man den Baugrund für diese Brücke besonders befestigen. Eine Dampframme hat Aufstellung gefunden, die Holzbalken tief in das sumpfige Gelände einrammt.

Gera an der RAB.-Kreuzung.
Am Ausgang des Brahmetales bei der Einmündung ins Elstertal erreicht die RAB.-Baustrecke das Geraer Stadtgebiet, und aller Voraussicht nach wird sich die Bedeutung der Stadt Gera als Verkehrszentrum Ostthüringens nach Inbetriebnahme der RAB. wesentlich erweitern. Das ergibt sich aus der später wesentlich günstigeren Lage Geras im unmittelbaren Bereich der großen RAB.-Kreuzungsstelle bei Hermsdorf, denn nur 15 Kilometer sind es auf der künftigen RAB. von der geplanten Anschlußstelle Gera bis zur Kreuzungsstelle bei Hermsdorf. Gera wird also mit aller Bestimmtheit eine bevorzugte Lage gewinnen, die sich sicherlich in vieler Hinsicht vorteilhaft auswirken wird.

Anschlußstelle Gera im Werden.
An der im Bau befindlichen Teilstrecke der großen Ost-West-Linie wird die RAB.-Anschlußstelle Gera errichtet. Im Geraer Flughafengelände erhält das ganze Elstertal am nördlichen Stadtrande ein vollständig verändertes Gesicht. Schon jetzt zeigen die markierten Abmessungen deutlich, welch umfassende Veränderungen vor sich gehen werden.

Die ersten vorbereitenden Erdarbeiten sind dem Reichsarbeitsdienst übertragen worden. Da die Elsterregulierungsarbeiten nach mühevoller Zeit nahezu vollendet sind, werden die jungen Arbeitsmänner, vornehmlich des Tinzer Lagers, am Bau der RAB.-Anschlußstelle Gera in erheblichem Maße beteiligt sein. Jetzt schon sieht man sie täglich auf dem Gelände nördlich des Stadtgebietes bei eifrigem Schaffen.

Zwei Auffahrtsrampen.
Dort, wo der Roschützer Weg von der Reichsfernstraße zwischen Tinz und Langenberg abzweigt, werden die Auffahrtsschleifen für die RAB.-Anschlußstelle Gera errichtet. Die bisherige Strecke der Reichsfernstraße einschließlich des Radfahrweges kommt auf der ganzen Länge des Flugplatzes in Wegfall; diese Straßenstrecke wird auf dem Flugplatzgelände neu gebaut werden. Die neue Tinzer Umgehungsstraße wird in gerader Richtung weitergeführt und etwa in Höhe der Flughafengaststätte wieder auf die Langenberger Straße münden. Der neue Straßenabschnitt wird also nicht nur westwärts, sondern auch erheblich tiefer gelegt. Auf hoher Brücke wird die RAB. darüber hinwegführen.
Gleichzeitig werden von dem neuen Straßenzug aus die Auffahrtsrampen für die RAB.-Anschlußstelle Gera gebaut. Die Südauffahrt wird in Höhe des bisherigen Roschützer Wegabzweiges gebaut und dient für die Richtung Gera–Chemnitz–Dresden. … (Auszug)

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